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Würzige Düfte locken in altes Haus

Von Maria Barsi 07.02.2007, 18:16

Zeitz/MZ. - Es ist ein wohlriechendes Geschäft, das Ilona Schmidt da in der Freiligrathstraße führt. So ziemlich alles kann man dort für Hausschlachtungen bekommen. Gewürze im 20-Kilo-Sack ebenso wie im 20-Gramm-Tütchen, Bolzenschussgeräte und Wiegemesser, Wetzsteine, Einkochgläser, getrocknete Schweinblasen und Därme, Nudeln, Buchenholzspäne zum Räuchern, Imbissbedarf für die Grillparty und Gummischürzen.

Die Reudener Familie, die gerade zur Tür hereinkommt, kauft kiloweise Pfeffer, Kümmel, Majoran und dazu Salpeter für die schöne Farbe der Bratwurst. Drei befreundete Familien seien sie, die sich jedes Jahr ein Schwein vom Bauern kaufen, vor Ort schlachten lassen, gerecht teilen, Fleisch und Wurst kochen, räuchern, einfrieren oder in 200-Gramm-Gläser einkochen. Viel Arbeit sei das, aber sie mache auch Spaß. Am meisten Spaß mache sie, wenn man damit fertig sei.

Als Ilona und Jens Schmidt das 1896 von einem jüdischen Tuchhändler erbaute Haus vor gut zehn Jahren kauften, da war der Laden schon drin, seit der Erstbesitzer es um 1915 verkauft hatte. Da hieß die Freiligrathstraße noch Fabrikstraße, gab es in dieser Ecke einen Schlachthof, ein Elektrizitätswerk, eine Ziegelei, die Pferderennbahn im Tiergarten, einen Klavierhersteller. Und die Firma für Fleischereibedarf. 40 Handelsreisende reisten für sie durch ganz Deutschland, fand Schmidt in einem Geschäftstagebuch von 1935.

1944 zerstörte eine Luftmine das Haus bis aufs Erdgeschoss hinunter. Darunter war nur noch ein Gewölbekeller, der zum Luftschutzbunker ausgebaut worden war. In ihm überlebten 14 Personen den Angriff. Geschichten, die Jens Schmidt faszinieren, der in diesem Viertel aufwuchs und hier auch in den Kindergarten ging, als es in der Straße noch zwei Bäcker, eine Wäscherolle und einen Fliesenleger gab. Die Korbmacherwerkstatt hatte das große Hochwasser schon 1954 fortgespült.

Als Schmidts in das bereits 1945 ohne Nixe und Neptun über den Dachgauben wieder aufgebaute Haus einzogen, war für sie klar, dass sie die mit ihm verbundene Tradition weiterführen wollten. Es ist freilich nicht mehr nur das Angebot an die Hausschlachter. Auch die Angler holen sich hier gern ihre Messer, Gewürze und die Holzspäne zum Räuchern. Und zur Grillzeit gibt es andere Nachfragen und Angebote als in der Einkochzeit.

Öffnungszeiten: montags bis freitags von 9 bis 12 und von 14.30 bis 17 Uhr.