Stollenjubiläum in Thüringen
Naumburg. - "Happy Birthday", jubelt die Thüringer Tourismus GmbH in Erfurt und verkündet in alle Welt, dass der älteste Stollen der Welt ein thüringer Stollen ist, der in diesem Jahr 675 Jahre alt wird. Und weil das so ist, soll die traditionsreiche Weihnachtskalorienbombe in der Hauptstadt des Freistaates Thüringen eine besondere Würdigung erfahren.
Natürlich können und wollen die cleveren Tourismusfachleute nicht verleugnen, dass in Naumburg die Wiege des Stollens gestanden hat. "Die erste bekannte Erwähnung fand der Stollen im Jahr 1329 in Naumburg", teilte die Pressestelle der Tourismus GmbH mit. Das ist unzweifelhaft der Fall. Weil Naumburg damals zu Thüringen gehörte, ist der Naumburger Stollen halt eine Thüringische Erfindung. Die soll mit einen "großen Stollenumzug" am Sonnabend, 11. Dezember, gebührend gewürdigt werden. Start ist 11 Uhr auf dem Erfurter Weihnachtsmarkt. Märchenhaft und gut fürs Geschäft: Aus dem Naumburger Stollen wurde der Thüringer Weihnachtsstollen. Das erst schriftliche Zeugnis zur Stollengeschichte ist in den Unterlagen der Bäckerinnung zu Naumburg zu finden, die am 24. Juli 1329 gegründet wurde. Im Naumburger Handwerkerbuch, dass aus Anlass des 900-jährigen Stadtjubiläums von Stadtarchivar Friedrich Hoppe herausgegeben wurde, ist nachzulesen, dass der Naumburger Bischof Heinrich den "begkern" das Privilegium verlieh, eine Innungszunft zu gründen. Die Erlaubnis berechtigt die Bäcker, ihr Handwerk zu betreiben und kostete sie zwei Stollen, die zu Weihnachten an den bischöflichen Hof zu liefern waren. Den Gepflogenheiten mittelalterlicher Tauschwirtschaft entsprechend wurde Inhalt und Größe der Backspezialität genau festgelegt.
Die Zutaten und Maßeinheiten wurden überliefert, darum lässt sich das ungefähre Gewicht des Naumburger Christstollens mit stolzen 15 Kilogramm angeben. Weil das Gebäck so groß und mächtig war, wurden es nach dem Wort Stulno benannt, das so viel wie groß und mächtig bedeutet. Nun hat sich die Thüringer Landeshauptstadt des Naumburger Stollens bemächtigt und vermarktet ihn als Thüringer Erfindung zum Wohle der dort ansässigen Bäckerei- und Tourismusbranche.
