Rettungskräfte beleidigt und genötigt Rettungskräfte beleidigt und genötigt: Bleibt pöbelndes Pärchen ohne Strafe?

Kretzschau - Beleidigt, bepöbelt und genötigt: Kretzschauer Feuerwehrmänner sind auch noch heute fassungslos, als sie ihre Geschichte erzählen. Es ist zwar schon über ein halbes Jahr her, dass ein 38- und ein 33-Jähriger, die ihre Namen nicht in der Öffentlichkeit preisgeben möchten, bei einem Einsatz massiv beleidigt und genötigt wurden. Doch die Ereignisse lassen sie nicht los. Auch, weil die Staatsanwaltschaft, nach einer Anzeige bei der Polizei, darauf verzichtet, gegen das pöbelnde Pärchen einen Prozess anzustrengen.
Pöbelei, Drohungen und Widersetzung
Was war passiert? Anfang Oktober 2018 verlor ein Fahrzeug zwischen Döschwitz und Kretzschau so viel Öl, dass die Freiwillige Feuerwehr Kretzschau die B180 zwischen beiden Orten komplett sperren musste. „Die Maßnahme war absolut nach Vorschrift“, erklärt Felix Grajek, damals Einsatzleiter. An der ersten Absperrung, auf Höhe der Kreuzung des Zuckerbahn-Radweges, musste sich der 38-jährige Feuerwehrmann mit einem Paar, das aus Richtung Zeitz angefahren kam, auseinandersetzen. „Die Fahrerin machte das Fenster herunter und schrie mich an, beleidigte mich und drohte bei Standgas, mich anzufahren“, erinnert sich der 38-Jährige.
Das Paar ignorierte die Anweisung, brauste vorbei und streifte ihn dabei. Am Abzweig zum Kretzschauer See traf das Pärchen auf die nächste Absperrung. „Diesmal stieg der angetrunkene Beifahrer aus und baute sich Nasenspitze an Nasenspitze vor mir auf. Er beleidigte mich massiv und drohte mir mit Gewalt, wenn wir nicht die Straße freigeben würden“, erklärt der 33-Jährige im MZ-Gespräch. Schließlich fuhr das Paar durch die Absperrung, die Feuerwehrmänner riefen die Polizei.
Anzeige und Ermittlungen
Die erschien rund 15 Minuten später, ließ aber erkennen, dass sie nicht besonders erfreut über den Einsatz sei, erinnert sich der 38-Jährige: „Ein Polizist fragte mich, warum ich die Sache nicht selbst kläre und dem Täter auf die Fr... haue.“ Generell funktioniere die Zusammenarbeit mit der Polizei eigentlich gut. „Die Kameraden von der Feuerwehr wurden im Nachhinein schriftlich angehört. Aber da gab es keine Beschwerden über ein solches Fehlverhalten. Das hätten sie aber durchaus machen sollen“, erklärt Gesine Kerwien, Sprecherin der Polizei im Burgenlandkreis, auf MZ-Nachfrage.
Die Revierleitung behalte sich nach den neuerlichen Schilderungen der beiden Feuerwehrleute nun weitere, interne Schritte in dieser Angelegenheit vor. Letztendlich nahmen die Beamten eine Anzeige auf, die Staatsanwaltschaft Naumburg ermittelte. Doch das Ergebnis der Prüfung des Falls enttäuschte die Feuerwehrleute: „Die Schuld ist als gering anzusehen. Der angerichtete Schaden ist verhältnismäßig gering. Auch das öffentliche Interesse gebietet es nicht, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen“, heißt es in dem Schreiben der Staatsanwaltschaft, welches der MZ vorliegt. Dies stößt auf wenig Verständnis bei den Betroffenen, sie sind enttäuscht von den Ermittlungsergebnissen.
Antragsverfahren auf einen Strafbefehl wegen Bedrohung
Der Naumburger Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Neufang kann zu dem konkreten Sachverhalt keine Stellung beziehen, „weil mir die Akte fehlt“. Immerhin läuft ihm zufolge ein Antragsverfahren auf einen Strafbefehl wegen Bedrohung eines der beiden Feuerwehrmänner.
Am 14. April 2107 trat eine Änderung des Strafgesetzbuches in Kraft. Seitdem werden vom Gesetz neben Polizei- und Vollstreckungsbeamten auch Rettungskräfte besser geschützt.
Genauer heißt es: „Nach § 113 wird auch bestraft, wer bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungsdienstes durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt behindert. Nach § 114 wird bestraft, wer die Hilfeleistenden in diesen Situationen tätlich angreift.“
Mit bis zu fünf Jahren Gefängnis können Täter bei Übergriffen auf Rettungskräfte bestraft werden. Bis zu einem Jahr Strafe droht für diejenigen, die durch Gaffen oder Blockieren der Rettungsgasse auf Autobahnen Arbeiten behindern.
Die Unterlagen dazu seien offenbar schon beim Amtsgericht in Zeitz, so Neufang. Aber er erklärt auch, dass „jede Entscheidung einer deutschen Behörde überprüfbar ist. Warum hat der Feuerwehrmann keine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht?“, fragt Neufang und ermuntert die Feuerwehrleute, bei der Staatsanwaltschaft Naumburg um Aufklärung zu bitten.
Behinderung kann Bußgeld von bis zu 25.000 Euro erhalten
Unabhängig davon verweist der Landtagsabgeordnete und Innenpolitikexperte Rüdiger Erben (SPD) auf das Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetz des Landes. „Wer Hilfskräfte im Einsatz behindert, kann mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 Euro belegt werden“, so der Weißenfelser. Auf dieser Grundlage will Uwe Kraneis (parteilos), Bürgermeister der Verbandsgemeinde Droyßiger-Zeitzer Forst, nun tätig werden.
Der Dienstherr der Kretzschauer Feuerwehr kündigt an, ein entsprechendes Verfahren einzuleiten. „Die Kameraden opfern ihre Freizeit und riskieren ihre Gesundheit und dann sowas? Wer soll denn noch für die Feuerwehr begeistert werden, wenn man Gefahr läuft, von der Straße geprügelt zu werden?“, so Kraneis. Von dem Paar gibt es übrigens keine Reaktion. Auf eine Entschuldigung warten die Feuerwehrmänner bis heute. (mz)