Marius Scholz entging der Flutwelle in Sri Lanka
Zeitz/MZ. - Das Krankenhaus liegt sieben Kilometer landeinwärts, bis dahin war die Tsunami-Welle bereits gebrochen. Doch es war Sonntag, 9 Uhr morgens. Scholz hatte frei, war also direkt in Galle und hätte die Flucht vor der Welle verschlafen. Doch seine Unterkunft in einem Gästehaus befand sich auf einer vorgelagerten Halbinsel vor der Stadt. Hier hatten einst die Holländer ein Fort auf den Resten einer portugiesischen Befestigungsanlage erbaut - mit fünf Meter hohen Festungsmauern. Die hielten der Welle stand. "Mich haben die Leute vom Gästehaus geweckt", erzählt er, "da liefen die Straßen im Fort gerade etwa einen Meter hoch voll."
Eigentlich hatte der Zeitzer mit drei Kollegen an den Strand fahren wollen. Wären sie eher aufgebrochen, hätten sie auf der Küstenstraße um ihr Leben schwimmen müssen. Wie ein Kommilitone aus Lübeck, der mit seiner Unterkunft in Hikkaduwa zwar alles verloren hatte, aber doch mit dem Leben davonkam. Am Montag fuhr Scholz mit dem Motorrad an seinen Arbeitsplatz im Krankenhaus. Viele, viele Verletzte seien gebracht worden, viel mehr, als das Krankenhaus Betten hat. Und besonders auf die chirurgische Station. Leute mit Knochenbrüchen, Schnitt- und Risswunden und mit Quetschungen, mit Wunden, die häufig verschmutzt waren und sich bereits entzündet hatten. "Ich bin erst mal von Station zu Station, habe gedolmetscht. Zwar beherrschen dort alle Ärzte auch Englisch, aber es waren viele Urlauber da, die nur ihre Muttersprache konnten." Und er erinnert sich an ein Pärchen aus dem Sächsischen, das nur in Badekleidung überlebte - die Frau mit einem Beinbruch, der Mann mit vielen Schnittverletzungen. Scholz' Kommilitone Michael Bode, beide studieren in Leipzig im selben Semester, hielt die Verbindung zur Botschaft und kümmerte sich um die Weiterleitung von Informationen in alle möglichen Richtungen. Er selbst hatte vier Stunden nach der Flut seine Mutter telefonisch beruhigen können.
Die heimischen Ärzte seien fix und fertig gewesen. Einer der Chirurgen hatte 24 Stunden durchweg operiert. Da waren denn auch die Studenten gefragt - mit Dingen, bei denen sie vorher als Praktikanten nur zugeschaut hatten oder höchstens zu Handreichungen hinzugezogen wurden. Und so reinigten sie selbstständig Wunden, desinfizierten, betäubten. Egal, ob sie dereinst Chirurgen werden wollen oder, wie im Falle des Zeitzers, eigentlich mit der Augenheilkunde liebäugeln.
Nach einer Woche seien alle akuten Fälle zumindest im Universitätskrankenhaus Galle versorgt gewesen. Die Angst vor Seuchen machte sich breit und die deutsche Botschaft legte allen Deutschen nahe, das Land zu verlassen oder auf eigenes Risiko zu bleiben. "Ich denke, die brauchen jetzt eher ausgebildete Fachärzte als Medizinstudenten", meint der Zeitzer. Und so verließen er und sein Kommilitone denn am Silvestertag Galle und fuhren mit Umweg übers Landesinnere nach Colombo.
Auch diese Fahrt wird Scholz sein Lebtag nicht vergessen. "Außen rundherum die totale Verwüstung, drinnen die wunderschöne Idylle. Das war so unwirklich und kaum zu begreifen," sagt er. Am 1. Januar konnte der Zeitzer von Colombo abfliegen und war nach einem 16-stündigen Zwischenstopp in Dubai am 2. Januar wieder zu Hause.
Vor der Abreise jedoch fragten Scholz und Bode noch in "ihrem" Krankenhaus nach, womit man am sinnvollsten helfen könnte. "Wir dachten, dass man vielleicht Medikamente oder so schicken könnte." Doch die Ärzte vor Ort brauchen viel dringender einen Defibrillator mit EKG-Monitor sowie ein Puls-Oxymeter. Medizintechnik also, die sie vom ausschließlich staatlich finanzierten Gesundheitswesen ihres Landes auf absehbare Zeit nicht bekommen werden.
"Wir haben gesehen, wie sie improvisiert haben, gerade im chirurgischen Bereich. Viele Leute haben jetzt ganz schnell reagiert und gespendet, damit die ärgste akute Not gelindert werden kann. Danach aber muss es weitergehen, und deshalb möchten wir etwas anschieben, was den Leuten dort auch längerfristig hilft", erklärt Scholz. Deshalb richtete er mit Bode ein Spendenkonto ein, das eben diese Medizintechnik finanzieren soll, und hofft nun, dass gerade die Leute in seiner Heimatstadt Zeitz und aus der Umgebung diese ganz konkrete Hilfe mit Spenden unterstützen.