Historischer Rückblick Historischer Rückblick: Verein Elsterflossgraben feiert 10-jähriges Bestehen

Zeitz - Der Förderverein Elsterfloßgraben feiert im Dezember sein zehnjähriges Bestehen. Aus diesem Grund hat Vereinschef Frank Thiel die Archive gewälzt und die nachfolgenden Informationen zusammengestellt.
„Ungeheures Aufsehen“
Der Zeitzer Heimatforscher Ernst Zergiebel (1852-1939) erinnerte im Dezember 1887 in der „Sächsischen Provinzialzeitung“ an den 300. Jahrestag der Vollendung des Großen Elsterfloßgrabens. Er berichtete über die langfristigen Planungen der sächsischen Kurfürsten, den Holzmangel in der Gegend um Zeitz, Merseburg, Halle oder Leipzig zu beseitigen, und den Ankauf eines etwa 15 Meter breiten Korridors für den Grabenverlauf von vielen Grundstücksbesitzern. Das Vorhaben „erregte damals ein ungeheures Aufsehen und das Staunen aller Bewohner Sachsens und der angrenzenden Länder.
Und wahrlich, es war keine Kleinigkeit einen so breiten und so tiefen Kanal längs einer meilenlangen Hügelkette herzustellen, wo bald Felsen gesprengt und Berge abgetragen, bald Täler und Schluchten aufgefüllt, bald Strebemauern errichtet und selbst Bäche überwölbt werden mussten, um den Wasser des Kanals ein Bett zu bereiten. Trotzdem gelang es glänzend“. Und als man später „das Elsterbett bei Crossen durchstach, so strömte das Wasser so gut in der neuen Straße vorwärts, als sei es schon seit langem den gleichen Weg gegangen.“
Wasser musste von der Weißen Elster südwestlich von Zeitz bis Rippach fließen
Aber so „glänzend“ - wie von Zergiebel beschrieben - war es doch nicht immer. Jüngste Forschungsergebnisse des Vermessungsingenieurs Frank Reichert aus Mahlow in Brandenburg brachten die Schwierigkeiten zutage und einen weitere Namen ins Spiel, dessen Rolle öffentlich noch ziemlich unbekannt ist: Georg Öder der Dritte, der aus einer sächsischen Markscheider-Dynastie des 16. Jahrhunderts entstammte. Öder übernahm im April 1578 mit weiteren Partnern die Vermessung und Herstellung des Grabens unter Aufsicht des Freibergers Oberbergmeisters Martin Planer (nach dem eine Straße in Zeitz-Ost benannt ist).
Er erklärte sich bereit, zu einer festgesetzten Summe von 3300 Gulden auf eigenes unternehmerisches Risiko den Graben in kürzester Zeit herzustellen. Bis zum Sommer des gleichen Jahres sollte ein Großteil der Arbeiten erledigt werden, was nur mit einem großen Arbeitsaufwand gelingen konnte. Allerdings hatte Öder das schwierige Kunstgrabenprojekt unterschätzt.
Das Wasser musste von der Weißen Elster südwestlich von Zeitz bei Pötewitz (gegenüber von Trebnitz) mit einem Gefälle von zirka zwei Zentimetern auf 100 Meter bis zur Rippach, einem rechten Nebengewässer der Saale fließen. Die Überwindung der Wasserscheide zur Saale erforderte eine exakte und sorgfältige Höhenmessung „wie es die wag gebietet“. Im ebenen Gelände sollte der Graben etwa 1,20 Meter tief sein, an der Sohle etwa 2,8 Meter und an der Oberkante etwa 3,50 Meter breit sein.
Unerwartete Probleme
Der Termin konnte nicht gehalten werden. Zwar waren am Jahresende 1578 einige Bereiche flößbar, aber es traten unerwartete Schwierigkeiten auf. So war der vertraglich vorgegebene Böschungswinkel des Grabenprofils nicht ausreichend flach, etliche Grabenabschnitte stürzten ein. Auch war das Grabengefälle zu schnell abgebaut worden. Das Holz konnte nicht bis zur kurfürstlichen Saline in Poserna bei Weißenfels geflößt werden. Es war eine neues Trasse notwendig. Georg Öder der Dritte wurde vom Floßgrabenprojekt suspendiert und verlor sein Amt als kurfürstlicher Markscheider. Im Frühjahr 1579 begannen die Planungen unter dem Freiberger „Berggeschworenen“ Georg Eckart neu.
Und so schreiben die Chroniken: Am 25. September 1579 begann der offizielle Bau des überarbeiteten Projektes. Der „erste Spatenstich“ war also eigentlich ein zweiter. Der Beginn bei Pötewitz (Trebnitz) blieb vorerst erhalten, 1584 wurde dort das erste Floßhaus gebaut. Mehr als 400 Fachleute aus dem Amt Zwickau, die auch an anderen Floßgrabenprojekten beteiligt waren, und 1 200 Fronarbeiter stellten in Rekordzeit von reichlich einem Jahr die 55 Kilometer lange Strecke bis zur Saline Poserna fertig. Für heutige Verhältnisse nahezu unvorstellbar.
30 Holzplätze
Und so war auch mancher Zeitgenosse vom emsigen Treiben beeindruckt. Wenngleich ein paar Jahre später der dortige Salinenbetrieb mangels Solegehalt eingestellt wurde, die Basis für die weit verzweigte Weiße-Elster-Flöße von mehr als 200 Kilometer Länge bis Halle und Leipzig war gelegt. Bei einer Bestandsaufnahme von 1780 wurde vermerkt, dass es am Elsterfloßgraben 30 Holzplätze gab, wo das für jeden Ort bestimmte Holz herausgezogen wurde.
Ebenso ist die Rede von 81 steinernen und hölzernen Brücken, von zwölf Gewölben für den Durchgang von „Berggewässern“, 18 Fluter zur Überleitung anderer Gewässer oder drei befahrbare Furten. In seiner aktiven Zeit wurden jährlich bis zu 30.000 Klafter im Frühjahr und Sommer geflößt. Das waren je nach Länge der Scheite 20.000 bis 40.000 Kubikmeter Holz.
Elsterfloßgrabens ist 440-jähriges, technische Denkmal
Der Anfang des Großen Elsterfloßgrabens blieb jedoch nicht in Pötewitz. Da die Weiße Elster dort einen Bogen macht, baute man 1596 unterhalb von Crossen wegen des günstigeren Gefälles das neue Einlassbauwerk nebst einem Wehr zum Anstauen des Wassers. Zwei sogenannte „Rechen“ hielten die Holzscheite auf, damit sie dann in das Grabensystem gelenkt werden konnten.
Es gibt noch so manche Geschichte über Ereignisse am Floßgraben zu erzählen, über Kahnfahrten für die Ziegelei in Grana, über Streitereien zwischen Flößern, Müllern und Grundstücksbesitzern, über Handelsbeziehungen oder diverse Katastrophen. Die 440-jährige Geschichte dieses einzigartigen technischen Denkmals, auf dem mehr als ein Vierteljahrtausend lang Millionen von Holzscheiten transportiert worden sind, hat da einiges zu berichten.
Wenn man manche Planungen aus der Gegenwart denkt, so wird der mangelnde Respekt vor der Leistung vorheriger Generationen sichtbar. Sei es durch vorgesehene Reduzierung des Zuflusses am Elsterwehr in Crossen bis hin zur Nichtwiederherstellung der Durchgängigkeit bis in den Saalekreis. Wenn der Tagebaubetrieb zu Ende geht, droht die ökologische Katastrophe auf 33 Kilometern Länge im nördlichen Abschnitt. Die einzige und historische Quelle des technischen Denkmals Floßgraben ist die Weiße Elster. Deshalb ist zu sagen: der Ökosystemdienstleister Elsterfloßgraben gehört in die Vorhaben zum Strukturwandel der Braunkohleregion.
Elsterflossgraben verschönerte die Region
Ernst Zergiebel schrieb als 35-Jähriger im oben genannten Zeitungsbericht von 1887 folgendes über den Floßgraben in Zeitz, was für alle Regionen zutrifft: „Für unseren Kreis hat er einen nicht zu verachtenden Wert gehabt, denn er führte das fehlende Brennmaterial für Behörden und Privatleute billig herbei und gab manchen Arbeiter Gelegenheit, sein Brot zu verdienen. Schade wäre es, namentlich für unsere Stadt, wenn seinem Dasein ein Ende bereitet würde.
Denn abgesehen von manch kleinem Nutzen, welchen er den Anwohnern durch sein Wasser gewährt, trägt er ungemein viel dazu bei, die Umgebung von Zeitz zu verschönern. Man trete zur Sommerzeit nur einmal hinaus auf eine Anhöhe bei unserer Stadt, und schaue, wie er mit gewaltigem Bogen die Elsterebene hier umspannt und von höher gelegenen Gefilden passend abgrenzt, wie er mit seinem, dem Auge wohltuenden Grün der Uferbäume und Gebüsche von dem Grau der Felder sich prächtig abhebt, und wir sind überzeugt, man wird öfter und gern sein Auge über ihn schweifen lassen.“
(mz)