Ein umstrittenes Buch voller unbeantworteter Fragen
Naumburg. - Die Frage nach dem Warum stand die ganze Zeit über im Raum, als Ines Geipel ihr Buch "Für heute reicht`s" - Amok in Erfurt am Dienstagabend in Naumburgs Kleiner Bühne vorstellte. Die Frage konnte auch bis zum Ende der Lesung nicht beantwortet werden. Eine endgültige, schlüssige Antwort darauf, warum ein 19-Jähriger in einer Schule ein grauenhaftes Massaker anrichtet, wird es wohl niemals geben. Ines Geipel hat sich kurz nach der Tat, Ende April 2003, auf Spurensuche in Erfurt begeben. Ein Jahr lang recherchierte sie in alle Richtungen und legte im Januar diesen Jahres ein äußerst umstrittenes Buch vor. Sie nennt es "literarisches Sachbuch". Geipel führt die Leser mit einer fiktiven Kunstfigur durch ihre Dokumentation. Diese Kunstfigur, so die Autorin, gibt es sehr wohl auch. Es ist eine junge Frau, die Jahre vor der unsäglichen Bluttat das Erfurter Gutenberg-Gymnasium besucht hat. Lange vorher, so stellte die Autorin fest, gab es Kritik seitens der Schüler und Lehrer zur "Art und Weise, wie hier Schule gemacht wurde".
Und als sie kurz nach dem Amoklauf des Robert Steinhäuser in Erfurt zu recherchieren begann, hörte sie Stimmen, die sagten: "Es wundert uns nicht, dass das passiert ist." In der Gerüchteküche waberte es, und so mancher schüttete bei Geipel sein Herz aus und warnte später: "Das haben sie aber nicht von mir!" Ines Geipel hat sich bei ihren Nachforschungen nicht nur auf den Täter und dessen Umfeld sowie die Umstände, die zur Tat führten, konzentriert. Sie nahm Einsicht in Polizeiprotokolle, interviewte SEK-Beamte und andere, die während und nach der Tat unmittelbar dabei waren. Im Verlauf ihrer Nachforschungen taten sich gravierende Ungereimtheiten auf, die ihrer Meinung nach bis heute nicht geklärt worden sind. Ines Geipel stellt die Aussagen und Entscheidungen der Thüringer Politiker zu diesem Fall in Frage, wundert sich über die Personalpolitik des zuständigen Ministeriums. "Es ist ein Buch der Fragen", sagt sie zu ihrem Werk, das auch zu dem Zweck geschrieben sei, Anstoß für weitere Untersuchungen zu sein. Das, was bislang zum Fall Robert Steinhäuser offiziell bekannt gegeben wurde, reicht ihr nicht.
Damit steht die Professorin an der Theaterhochschule Ernst Busch in Berlin nicht allein. Sie fordert eine "Gesellschaftliche Konferenz", weil das Massaker kein Einzelfall bleiben könnte. Schließlich gebe es in deutschen Haushalten bislang 25 Millionen Waffen. Zum Vergleich: Rund 300 000 stehen der Polizei zur Verfügung.
Heute, 19.30 Uhr, liest Bernd Zeller, Jena, satirische Kurzprosa. Zeller war ein Autor der Harald-Schmidt-Show.