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Renaissance-Musikfestival Wittenberger Hofkapelle überreicht Sammlung - Warum es eine Art Hitparade ist

In der Schlosskirche überreicht die Wittenberger Hofkapelle eine Sammlung von Michael Praetorius.

Von Erhard Hellwig-Kühn 01.11.2021, 08:57
Die Wittenberger Hofkapelle hat zum Renaissance Musikfestival am Sonnabend in der Schlosskirche mit der Muse des Tanzes bekannt gemacht.
Die Wittenberger Hofkapelle hat zum Renaissance Musikfestival am Sonnabend in der Schlosskirche mit der Muse des Tanzes bekannt gemacht. FOTO: Hellwig-Kühn

Wittenberg/MZ - Inmitten der Vorbereitungen zum Reformationsfest mit Buden und Schaustellereien neigte sich das 16. Wittenberger Renaissance Musikfestival allmählich seinem Ende entgegen. Gut, dass das muntere Getümmel des mittelalterlichen Marktes am Sonnabend noch nicht begonnen hatte. Denn die Schlosskirche, um die herum am Reformationssonntag es trubelig zu sein versprach, ist hellhörig und für musikalische Events dann eher nicht geeignet.

Von Chorälen umrahmt

„Terpsichore: Muse des Tanzes“ war das Motto des vorletzten Konzertes des Renaissance Musikfestivals 2021, das am Sonnabendnachmittag in der Schlosskirche von der Wittenberger Hofkapelle bestritten wurde. Michael Praetorius stand im Mittelpunkt, genauer Tänze aus „Terpsichore“, umrahmt von Chorälen und Liedern. Thomas Höhe (Laute, Blockflöten) lud mit seinem Consort (Julia von Landsberg, Sopran und Blockflöten, Markus Höhne, Blockflöten, Gesine Friedrich und Tobias Höhne, Renaissancegamben und Daniel Schmidt, Orgel) zum Tanz ein.

Terpsichore ist nach der Muse des Tanzes in der griechischen Mythologie benannt. Terpsichore, Tochter des Zeus, bedeutet ergötzen, erfreuen. In den alten und zeitgenössischen Darstellungen wird sie als leicht bekleidete Nymphe mit Blumenkranz im Haar und einer Lyra in der Hand in Szene gesetzt. Auch für den Unvoreingenommenen ist ihre Rolle verständlich.

Michael Praetorius sammelte seinerzeit mehr als dreihundert Tanz-Hits aus verschiedenen Ländern. Sie wurden von ihm für Instrumentalensembles arrangiert und Anfang des 17. Jahrhunderts unter dem Titel „Terpsichore“ herausgegeben. Die Tänze der damaligen Zeit hießen Branslen, Couranten, Ballette, Pavanen, Galliarden usw. Heute würde man vielleicht diese Sammlung eine Hitparade nennen. Es erstaunt umso mehr, dass sie mehr oder weniger in Vergessenheit geraten sind.

Der Wittenberger Hofkapelle ist die Würdigung dieser Sammlung zu verdanken. Sie ist ein Prototyp der Renaissancemusik voller wunderschöner Melodien, zugleich feinfühlig, poetisch und filigran. Die Hofkapelle nahm ihre Zuhörer an die Hand und führte sie kompetent und gefühlvoll durch die unterschiedlichen Stile, vorwiegend aus Deutschland und Frankreich. Die kammermusikalischen Dialoge zwischen Flöten und Laute, flankiert von den Gamben, hatte schon etwas Besonderes. Es wirkte alles rund und klar, und es ist aber auch eine besondere Musik, auf die nicht jeder und in jeder Disposition „abfährt“.

Ein Hörvergnügen

Zuweilen fehlten da schon die Holz- oder Blechbläser, etwa der ausdrucksstarke Zink oder das Kornett mit seinem sinnlichen Klang. Nur schade, dass schon nach einer dreiviertel Stunde die Musik einschließlich der Wiederholung von „La Magdalena“ des Franzosen Attaingnant als Zugabe zu Ende war.

Zwischen den Tänzen erklangen altbekannte Kirchenlieder, etwa der Kantionalsatz „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ in einer letztendlichen Praetorius-Bearbeitung, die Lutherweisen „Erhalt uns, Herr, bei Deinem Wort“ oder abschließend „Ein feste Burg ist unser Gott“ in einer Bearbeitung von Johann Walther. Julia von Landsberg verstand es, einfühlsam klangschön und zugleich berührend die Botschaft herüberzubringen.

Es war ein Hörvergnügen der anderen Art, voller Hingabe.