Wittenberg Wittenberg: Rekordträchtiger Winter
WITTENBERG/MZ. - Bei den Brennstoffhändlern klingeln in diesen Tagen die Telefone heiß. So auch bei der Firma Mende in Bülzig. "Alle brauchen plötzlich Öl", sagt Ingrid Mende, Mutter des Firmenchefs Gerd Mende. "Und am liebsten von jetzt auf gleich." Das geht aber nicht. Rund 14 Tage Wartezeit müsse man einkalkulieren. In der Nacht schon würden die beiden Tanklastzüge losfahren, um jeweils 32 000 Liter Öl vom Magdeburger Hafen oder aus der Nähe von Berlin zu holen und es dann tagsüber an die Hausbesitzer in der Umgebung von Zahna auszuliefern. Aber auch ihre Fahrer müssen die gesetzlich vorgeschriebenen Lenk- und Pausenzeiten einhalten.
Da derzeit zumeist kleine Mengen von 500 bis 1 000 Litern abgenommen werden, "können sie sich vorstellen, wie oft unsere Leute am Tag die Ventile ziehen", schildert Ingrid Mende, die nach eigenem Bekunden schon 70 Jahre mit dem Geschäft vertraut ist. "Mein Vater hat 1939 den Kohlehandel in Mühlanger eröffnet." Bei steigenden Ölpreisen falle es den Hausbesitzern zunehmend schwerer, so viel zu bunkern, dass sie über den Winter kommen.
Für ein unisoliertes durchschnittliches Einfamilienhaus kann die Rechnung schon zu Sommerpreisen gut 2 500 Euro betragen. Aber im Spätherbst oder gar im Winter noch auf fallende Preise zu hoffen, ist aussichtslos. "Bei solchen Extremen", sagt Ingrid Mende aus ihrer langen Erfahrung, "ist Brennstoff noch nie billiger geworden." 92,80 Euro kosteten am Dienstag 100 Liter im Bundesdurchschnitt, im Sommer 2011 waren die für 77 bis 86 Euro zu haben. Im Februar 2010 kostete die gleiche Menge etwa 60 Euro.
Aus dem Straßenbild fast völlig verschwunden sind Koks- und Brikettberge vor den Häusern und Menschen, die sich im Hochsommer schweißtriefend abmühen, die Kohlen in den Keller zu schleppen. Aber, so sagt Ines Schroeter, die bei ihrem Mann Jörg Schroeter im Anhaltischen Brennstoffhandel angestellt ist: "Die Nachfrage nach Braunkohlebriketts steigt wieder." Etwa 40 Prozent mehr als Mitte der 1990er Jahre, als weitgehend alle Heizungen auf Öl oder Gas umgestellt worden waren, würden jetzt wieder verkauft. "Viele haben sich zusätzlich zur Ölheizung einen Kamin einbauen lassen oder stellen sich Kaminöfen auf." In den Geschäftsstellen in Dessau, Gräfenhainichen, Aken und Wittenberg vertreibt das Familienunternehmen laut Schroeter überwiegend feste Brennstoffe - Rekord-Briketts aus der Lausitz sowie Anmachholz.
100 Tonnen Briketts pro Woche werden mit vier Lkw aus Cottbus geholt. Der Einzugsbereich des Unternehmens reicht westlich bis weit in den Köthener Raum, östlich bis nach Jessen, südlich bis in die Dübener Heide und nördlich bis Kropstädt. Auch wenn die Leute "bei den Sommerpreisen gut gekauft haben", wie Ines Schroeter sagt, "haben wir in den letzten 14 Tagen erhöhte Nachfrage. Wir kommen mit dem Ausfahren kaum hinterher". Die Kunden können sich ihren Bedarf aber auch von den Höfen des Händlers abholen. Bis zwei Tonnen nehmen Privatkunden jetzt im Schnitt ab. Um die 200 Euro kann ein Kunde sparen, wenn er fünf Tonnen zum Sommerpreis kauft. Diese Menge brauche man für ein durchschnittliches Einfamilienhaus im Jahr. Jetzt koste die etwa 1 000 Euro.