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Wenn die Vorfahrt nur scheinbar völlig logisch ist

Von MARKUS WAGNER 12.04.2010, 18:21

WITTENBERG/MZ. - 40 Jahre unfallfrei gefahren? "Nur, weil die anderen für einen gebremst haben." Friedrich-Wilhelm Günther lächelt und winkt ab. Der Wittenberger Kreisvorsitzende des Fahrlehrerverbandes macht sich da gar keine Illusionen. "Die meisten fahren nach Gefühl und wissen gar nicht, was sie falsch gemacht haben." Und weil das so ist, will die MZ ein bisschen Aufklärung betreiben. Welche Vorfahrtsregel gilt nun am abgesenkten Bordstein? Warum muss man an diesem Abzweig so gut aufpassen? Und wie war das überhaupt mit dem Rechts vor Links?

Das ist sowieso nur scheinbar eine einfache Frage. Ein Beispiel: Aus der Wittenberger Mozartstraße will einer geradeaus, während ein anderer aus der Lerchenbergstraße nach links in die Dr.-Behringstraße einbiegt. "Da stehen sie nun und schimpfen aufeinander, dass der andere doch endlich fahren soll."

Günther hat das selbst schon einige Male mitgemacht. Denn in diesem Falle muss eigentlich warten, wer geradeaus fahren will: Die Mozartstraße ist nämlich verkehrsberuhigter Bereich, wer da raus will, muss immer warten.

Wenn Günther ein paar Fallbeispiele an die Wand zaubert, wird selbst der erfahrene Autofahrer, der dann oft falsch liegt, immer kleiner - oder besser, gerade der. "Das Problem ist, dass Kraftfahrer nicht mehr verpflichtet sind, zur Verkehrsteilnehmerschulung zu gehen." So geht an manchem auch die Änderung der Straßenverkehrsordnung unbemerkt vorbei. Das ist allerdings nicht nur das Problem der Erfahrenen. Eltern geben ihr Wissen ja weiter. "Wer selbst mit 60 durch die Stadt fährt und dem Kind noch erzählt, dass erst ab 65 geblitzt werde, braucht sich nicht zu wundern", sagt Günther. Der Nachwuchs braust dann eben mit 70 durch die Stadt. Und genau das stellt Günther, der viel auf den Straßen ist, inzwischen fest. Sonntagmorgens eine rote Ampel überfahren, weil man nicht warten will, wenn niemand sonst auf der Straße ist? "Das habe ich nicht nur einmal gesehen", sagt er. Und wer zum Überholen links an einer Verkehrsinsel vorbeiziehe, dem helfe auch eine Schulung nicht mehr.

Aber vielleicht ja denjenigen, die den letzten Fahrschulübungsbogen vor Jahrzehnten gesehen haben. Auch nach 20 Jahren sei vieles noch in den Köpfen vorhanden, was zu DDR-Zeit galt, heute aber eigentlich nicht mehr. "Straßenbahn oder Auto, wer hat Vorfahrt?", will Günther wissen. Vor 1990 war's die Bahn, danach wird sie behandelt wie jeder andere Verkehrsteilnehmer - wenn kein Schild anderes regelt. Von rechts kommt ein Auto, von vorn ein Motorrad, das links abbiegen will. Zu DDR-Zeiten hätte das Motorrad zuerst fahren dürfen, weil es am weitesten von rechts kommt. Heute darf erst das rechte Auto, dann man selbst und erst zum Schluss das Motorrad fahren.

In den nächsten Wochen wird die MZ komplizierte Kreuzungen, seltsame Ampelregelungen oder gefährliche Auffahrten in Augenschein nehmen, darüber berichten und erklären, wie sich Autofahrer am besten verhalten sollen. Einen Tipp können die Fahrlehrer sofort geben: "Es gilt immer Paragraf 1 der Straßenverkehrsordnung: Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht."