Weltklasse vor wenigen
Wittenberg/MZ. - "Carmina burana atque imaginibus magicis" (Beuroner Gesänge mit magischen Bildern) lautet ausführlich der Titel von Carl Orffs aus eigener Sicht erstem vollgültigen, 1937 uraufgeführten Werk. Chor und Orchester der Bolschoi Oper Minsk unter der Leitung von Wilhelm Keitel waren eigens für eine Aufführung gekommen. Mit von der Partie waren der Theaterjugendlcub "Chamäleon", die Kreismusikschule und Schüler der Tanzschule Porwol. Regie und Gesamtleitung lag bei Markus Schuliers.
Ja, es stimmt, was man über diese Musik sagt. Sie führt in eine eigene Welt, voller eigenwilliger Melodik und Harmonien. Die Musik geht unter die Haut. Bereits "O Fortuna" (Fortuna imperatrix mundi) ließ den Zuhörer erschauern. Der Ursprünglichkeit und Vitalität der von Orff vertonten mittelalterlichen Gedichte, Liebes- und Trinklieder, die nach ihrem Fundort Benediktbeuren betitelt wurden, vermag sich kaum jemand zu entziehen. Ganz klar: Dieses Werk mit seinen deftigen weltlichen Texten und mit einer nach einfachen Melodie- und Rhythmusprinzipien gebauten Musik sicherte dem Komponisten Weltruhm. Wilhelm Keitel, künstlerischer Leiter und Dirigent des Minsk Orchestra, unter anderem Schüler von Leonard Bernstein und Seiji Ozawa, vollbrachte eine musikalische Meisterleistung. Hervorheben muss man insbesondere das vierköpfige Schlagzeug des Orchesters. Unglaublich, welches Klangbild, welche Stimmenschönheit und welche Gestaltungsintensität der Chor ausstrahlte. Unglaublich aber auch, gleichzeitig beschämend, welch geringen Zuspruch dieses außerordentliche Konzert fand. Es muss deprimierend für ein Ensemble dieser Weltklasse sein, wenn sich die Zahl der Zuhörer nicht einmal mehr mit der Sängerzahl die Waage hält.
Der Chor war zu absoluter präziser Deklamation, Intonationssicherheit im rasanten Lauf sprunghaft geführter Melodien und zu effektvoll pointierter Gestaltung in der Lage. Keitel hatte seine Sängerinnen und Sänger bestens darauf eingestimmt. So konnten die Solisten vor diesem auf Expressivität angelegten Klangapparat ihre Partien sehr individuell gestalten. Brillant goutierte Yanosh Nelepa (Tenor) die kleine, feine Schwanen-Partie und beflügelte die Imaginationskraft. Andrey Morozow (Bassbariton) nicht minder brillant in der ausdrucksvollen Bildhaftigkeit seiner Interpretation. In Weiß gehüllt und im Licht der Scheinwerfer weniger wie ein luzides Geschöpf der Lust schimmernd verzauberte die Sopranistin (Natali Karl) mit lupenreiner Höhe, Intensität und Geschmeidigkeit. Musikalisch insgesamt beeindruckend.
Und die Inszenierung? Nun - hier sollte man schweigen. War es nötig, die Jungs und Mädels über Längen so unmotiviert und zusammenhanglos vor der geschlossenen Bühne herumstehen zu lassen? Es gab schon bessere szenische Darstellungen der "Carmina Burana" in Wittenberg. Vom gleichen Regisseur. Schade.