Weltausstellung in Wittenberg Weltausstellung in Wittenberg: Die andere Reformation in der Schweiz

Wittenberg - „Ich habe das schönste Büro meines Lebens“, schwärmt Serge Fornerod. „Jede zweite Woche schaue ich auf neue Farben, neue Blumen.“ Mit dem Standort des Schweizer Pavillons „Prophezey“ in den Wallanlagen an der Pfaffenstraße ist der 59-Jährige ausgesprochen glücklich.
„Die Wittenberger haben uns sofort gefunden. Sie haben uns viel über die Geschichte erzählt, so dass wir verstanden haben, welche Bedeutung dieser Ort hat.“
Fornerod, Leiter der Außenbeziehungen des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, und sein Team bringen in der Weltausstellung die Vielfalt der Schweizer Reformation und Religion nach Wittenberg. Schweizerische und deutsche evangelische Kirchen haben dieselbe Tradition, erklärt er.
„Unterschiede gibt es allerdings in der Größe und Intensität. Wir erleben Deutschland als viel religiöser als die Schweiz und sind erstaunt, wie fromm die Deutschen im Gegensatz zu uns sind“, so sein Empfinden, das den Einheimischen erstaunen mag.
Das Interesse, wie die Schweiz zur Reformation gekommen ist, sei groß unter den Besuchern. „Wir vertreten ein Bild der Reformation, das breit und bunt ist“, betont Fornerod. Nicht ein oder zwei Reformatoren waren in dem Alpenland aktiv, sondern zwölf. „Es gibt in jedem Kanton einen Reformator, der sich durchgesetzt hat. Diese Vielfalt ist für uns das Entscheidende.“ Lutheraner gebe es, und das ist der große Unterschied, kaum in der Schweiz.
Der Pavillon, eine Mischung aus offener Halle, Kirche und Werkstatt, führt den Besucher durch Geschichte und Gegenwart. „Eine zehnminütige Reise zur Schweizer Reformation“ verspricht Fornerod und schildert die Resonanz der Besucher von beeindruckt bis begeistert ob der Stimmigkeit des Ganzen. „Die Reduktion ist gelungen“, zeigt er sich erleichtert, dass das Projekt, an dem er drei Jahre gearbeitet hat, derart gut angenommen wird.
Beeindruckend ist vor allem die Druckerpresse, der Nachbau eines Modells aus dem 16. Jahrhundert. Hier dürfen Besucher selbst Hand anlegen, um Seiten der Zürcher Bibel zu drucken. „Viele staunen, dass die Zürcher Bibel drei Jahre älter ist als die Luther-Bibel“, schildert Serge Fornerod die Reaktionen auf viele Gespräche. Ein Teil dieser Bibel, das Neue Testament, wird mit dieser hölzernen Presse in Wittenberg gedruckt und dann gebunden. „Dieses Unikat übergeben wir am 9. September der Stadt, als Symbol unserer Wertschätzung.“
Auch wenn sich Martin Luther und Ulrich Zwingli seinerzeit vielleicht nicht in allen Punkten einig waren - „Reformation ist keine Personengeschichte, sondern eine europäische Bewegung“ - sieht der Schweizer eher das Verbindende als das Trennende. Verbunden wird Serge Fornerod, der für die Geschäftsstelle der Gesamtschweizerischen Kirche arbeitet, wohl auch der Stadt Wittenberg bleiben.
„Ich kann mir vorstellen, in den nächsten Jahren immer mal wieder hierher zurückzukommen“, meint er. Nicht nur, weil er als Radfahrer so schöne flache Wege vorfindet, sondern weil er die kleine Stadt offenbar in sein Herz geschlossen hat.
Für den in Lausanne Geborenen steht fest: „Wir werden uns immer an Wittenberg erinnern.“ Noch bleibt Zeit, neue Eindrücke zu sammeln. Auch die Schweizer stellen nun fest, dass die Weltausstellung richtig Fahrt aufnimmt. Und ja, es hat im Vorfeld auch Widerstände gegeben. „Wir haben Zweifel gehabt, so eine Ausstellung in so einer kleinen Stadt zu machen“, lässt er Bedenken der Vergangenheit anklingen.
„Im Nachhinein finden wir aber: Es war eine gescheite Idee.“ Womöglich bleibt ein Stück Schweiz, der Pavillon (mit sinnvoller Nachnutzung versteht sich), hier erhalten. (mz)