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Weihnachten Weihnachten: Martin Luther der Liedermacher

Von ute könig 23.12.2013, 19:13
Luther im Kreise seiner Familie - eine Radierung von Schwerdgeburth
Luther im Kreise seiner Familie - eine Radierung von Schwerdgeburth Stiftung Lizenz

wittenberg/MZ - „Gottes Wort will gepredigt und gesungen sein.“ Die Worte Martin Luthers gelten besonders für ein freudiges Ereignis wie das Weihnachtsfest. Wenn an den Feiertagen Blockflöten, Trompeten und Geigen ausgepackt werden und die Familien gemeinsam weihnachtliche Musik anstimmen, werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch Stücke von Martin Luther gespielt. Denn der Reformator erschuf Weihnachtslieder, die jeder verstehen konnte und dadurch weit über das evangelische Gesangbuch hinaus bekannt geworden sind.

Lateinische Sequenz als Basis

Eines seiner vielleicht schönsten Weihnachtslieder ist „Gelobet seist du, Jesu Christ“. Luther hat es, wie die meisten seiner Kirchenlieder, im Jahr 1524 geschrieben. Schon bald darauf wurde es zum Hauptlied des ersten Weihnachtstags. Beliebt war es jedoch nicht nur im evangelischen Gottesdienst, die Weihnachtsweise schaffte es sogar in katholische Gesangbücher.

Grundlage des Liedes ist die lateinische Sequenz „Grates nunc omnes“, ein einstrophiger Kirchengesang, der seit dem 11. Jahrhundert in der Mitternachtsmesse zu Weihnachten gesungen wurde. Luther übernahm die Melodie, übersetzte den Text und fügte der Ausgangsstrophe sechs weitere hinzu. Eine Vorgehensweise, die sich so und so ähnlich beim Großteil seiner Lieder nachvollziehen lässt.

Die Stahlradierung „Luther im Kreise seiner Familie“ von Carl A. Schwerdgeburth (1785-1878) zeigt die singende und musizierende Familie Luther unterm Weihnachtsbaum. Dass ihr Weihnachtsfest im Jahr 1536 tatsächlich so stattfand, darf allerdings bezweifelt werden. Wahrscheinlich hat der Maler den Weihnachtsbrauch seiner Zeit einfach in das 16. Jahrhundert transportiert. Zu Luthers Zeit gab es noch keinen Weihnachtsbaum und auch kein ausgeprägtes familiäres Weihnachtsfest. Letzteres entwickelte sich in Deutschland erst rund 300 Jahre später. (uko)

Während der Reformationszeit wuchs der Wunsch, das kirchliche Geschehen besser zu verstehen. Luther machte es sich deshalb zur Aufgabe, dem katholischen Kirchengesang ein kraftvolles eigenes und vor allem deutschsprachiges Repertoire entgegenzustellen, das auch von der Gemeinde gesungen werden sollte. Er verzichtete auf ganz neues Liedgut. Viel zu sehr waren die Gläubigen an traditionelle Gesänge gewöhnt. Beliebige deutsche Lieder einzusetzen, hätte für sie vermutlich eine Zerstörung der gesamten Liturgie bedeutet.

Frohe Botschaft gut verpackt

Also übersetzte der Reformator lateinische Gesänge einfach ins Deutsche. So geschehen bei „Christum wir sollen loben dich schon“. Luther griff dafür auf den lateinischen Hymnus „A solis ortus cardine“ nach einem Gedicht von Caelius Sedulis (5. Jahrhundert) zurück, den man seit dem frühen Mittelalter zum Weihnachtsfest sang. Auch hier wurde die ursprüngliche Melodie beibehalten. Luther unterlegte sie mit einem verständlichen Text und ermöglichte den Kirchenbesuchern, am Gottesdienst mehr teilzuhaben. Schließlich sah er das Kirchenlied als das musische Gegenstück zum Katechismus, als Laiendogmatik. Luther verstand es, die Frohe Botschaft eindrucksvoll in Liedtexte zu verpacken.

Zumindest größtenteils. Für „Nun komm, der Heiden Heiland“ übersetzte Luther den lateinischen Adventshymnus „Veni redemptor gentium“ des Bischofs Ambrosius von Mailand (340-397). Dennoch erschlossen sich einige Textstellen für die singende Gemeinde nur schwer. Denn dieses Mal blieb Luther bei seiner Übersetzung eng am Original, was zu Verständnisschwierigkeiten führte. Bei der Komposition der Melodie hingegen übernahm er die gregorianische Vorlage nur in Grundzügen. Seine eigene machte er liedhafter und melodiöser, straffte sie rhythmisch und passte sie der Liedform seiner Zeit an.

Von klein auf hatte Luther Kontakt mit Musik – praktisch wie theoretisch. Er sang als Chorknabe in Eisenach, erhielt in der Lateinschule Unterricht in Musiktheorie und studierte an der Universität in Erfurt später neben Theologie Musik und Kontrapunkt, eine Kompositionstechnik, die besonders in der Renaissance und im Barock Verwendung fand. Obwohl sich die Hausmusik in Deutschland erst im 19. Jahrhundert verbreitete, ist es wahrscheinlich, dass bei Familie Luther regelmäßig zu Hause gemeinsam gesungen wurde.

„Vom Himmel hoch, da komm ich her“ soll Luther zur Bescherung für seine Kinder geschrieben haben. Er bezeichnete es als „Ein kinder lied auff die Weihnacht Christi“. Die erste Version des wohl bekanntesten Lutherliedes hatte eine weltliche Vorlage: ein altes deutsches Spielmannslied. Luther übernahm wieder die Melodie und unterlegte sie mit einem neuen, geistlichen Text über die Verkündigung der Hirten nach dem Lukas-Evangelium. Seine Formulierungen sind eng an das Original angelehnt, dessen erste Strophe lautet: „Ich komm aus fernen Landen her / und bring euch viel der neuen Mär / der neuen Mär bring ich soviel / mehr denn ich euch hier sagen will.“ Die erste Version aus dem Jahr 1535 war allerdings nicht lange im Umlauf. 1539 komponierte Luther eine neue Melodie.

Weltliche Vorlage

Über die Gründe dafür können nur Vermutungen angestellt werden. Dass die Vorlage eine weltliche war, dürfte kein generelles Problem gewesen sein. Dieses Vorgehen war damals üblich. Das Spielmannslied wurde allerdings gerne als „Kränzellied“ gesungen. Bereits lange vor Luther war das Kranzsingen ein beliebter Brauch, bei dem sich die Jugend an Sommerabenden zu Tanz und Rätselwettkampf traf. Dem Sieger wurde von der Auserwählten ein Kranz aufgesetzt. Dieses Treiben unter Dorflinden und in den Gassen der Städte war jedoch nicht bei allen gerne gesehen. Es galt als zwielichtig und anzüglich, nicht selten soll es ausgeartet sein. In manchen Gegenden wurde es verboten, beispielsweise 1559 in Nürnberg.

Wissenschaftler fanden bisher keine Belege dafür, aber es liegt nahe, dass Luther an dem Brauch Anstoß nahm und die erste Melodie durch eine neue, heute gebräuchliche, ersetzte. Ganz aus dem evangelischen Gesangbuch ist die Spielmannsmelodie nicht verschwunden. Das darauffolgende Lied „Vom Himmel kam der Engel schar“ wird nach wie vor auf sie gesungen.