Wassersport Wassersport: Kaiserwetter auf der Elbe

Wittenberg/MZ - Der 1. März, meteorologischer Frühlingsanfang, macht seinem Namen auch an der Elbe alle Ehre. Samstagnachmittag, 14 Uhr, Sonne pur: Am alten Strombad steigt Sigrid Schönau aus Jena aus dem Kajak und gerät sogleich ins Schwärmen. „Wir hatten heute Kaiserwetter. Sonne, angenehme Temperaturen und Windstille. Es passte einfach alles.“ Hinter ihr liegen 28 Flusskilometer. Von Erschöpfung keine Spur. Mit 86 Gleichgesinnten war Sigrid Schönau am Morgen in Pretzsch gestartet. Ihr Mann Axel zieht das Boot an Land. Willkommen im Domizil der Wassersportgemeinschaft (WSG) Wittenberg!
Natur und Körper
Die Gemeinschaft auf dem Wasser, das Naturerlebnis und etwas für den Körper zu tun, das sind die Antriebsmotive für diese anspruchsvolle Form des Wasserwanderns. Für die WSG sei es „bereits die 31. Auflage“, berichtet „Gründungsvater“ Dieter Boost nicht ohne Stolz. Inzwischen ist der Staffelstab der Organisation im Verein an jüngere Leute weitergereicht worden, darunter Sohn Peter und Ute Boost sowie Sven und Kathrin Liebing.
Aber das ist ja kaum zu glauben! Soeben legt die 80-jährige Dorothea Milnik vom WSV 1921 Berlin-Schmöckwitz mit ihrem Einer an. „Seit 1959 im Boot aktiv“, meint sie nur. „Mein tägliches Fitnessprogramm ist das Wasser. Heute fühle ich mich noch sehr frisch.“ Dies sieht man ihr an. Das Paddeln ist offenbar ihr ganz persönlicher Jungbrunnen.
Neben zahlreichen Sportlern aus dem Berliner Raum, wie Dirk Fricke und Roland Stelzer (Tegeler Kanuverein), hat es sogar einen Niederländer an die Elbe verschlagen. Marcel Tournier aus Rotterdam war bereits dreimal in Wittenberg dabei. Wie ihn gibt es viele „Rückfalltäter“. Diesmal wäre bei ihm die Elbtour allerdings fast gescheitert. „Ich hatte die Paddel im Bus gelassen. Glücklicherweise klappte es noch mit Ersatz“, schildert der Niederländer die dramatische Situation. „Jetzt erst einmal ein Bier trinken“, freute er sich. Nun stehen für ihn, wie für die meisten, am Sonntag noch mal 45 Kilometer bis Roßlau auf dem Programm. Akribisch wird von allen das Fahrtenbuch geführt. Da kommen im Jahr schon mal rasch 2 000 Kilometer zusammen. Simone Rühle aus München – sie war bereits 25 Mal dabei – scheute auch diesmal den weiten Anreiseweg nicht. „Als gebürtige Wittenbergerin freue ich mich jedes Mal, hier alte Bekannte wiederzutreffen.“
Wetterkapriolen wie Sturm, Treibeis, Schnee oder 15 Grad minus (!) – all das kam in der 31-jährigen Geschichte der Tour bereits vor - gab es diesmal nicht. Allerdings: „So einen niedrigen Wasserstand hatten wir noch nie“, bemerkt Friedemann Ehrig, der mit Dieter Boost im Zweier saß und für den die Elbe der Heimatfluss ist. „Bei Gallin sah ich heute einen Roten Milan. Ein phantastisches Bild“, schwärmt der Wittenberger von dem Raubvogel.
Früher für Hartgesottene
Ursprünglich galt diese Tour einmal als Winterfahrt auf der Elbe – etwas für Hartgesottene. „Dieses Mal war es eher eine Fahrt in den Frühling“, meinen Katrin und Günter Luft aus Dessau. Im Minutentakt legen die Boote an. Claudia Ploss und Tochter Rosalie bewältigten im Dreierkajak mit Manfred Bühnemann die Erste Etappe. „Die bisher schönste Fahrt“, so lautet die euphorische Einschätzung des Coswigers Bühnemann. Dessen Tagesrekord steht übrigens bei 90 Kilometern, die er 2013 auf seiner Etappentour Wittenberg-Hamburg zurücklegte.
Kaffeeduft hat inzwischen den Vereinsraum erfüllt. Die Brandenburger Christiane und „Kalle“ Müller sind voll des Lobes. Der selbstgebackene Kuchen der WSGler sei etwas für „Gourmets“, bemerkt so mancher in der Runde. Es folgen noch der Besuch des Bowlingcenters und am Abend darf man – warum nicht - bei einem Lichtbildervortrag auch mal von Kajaktouren im fernen Kanada träumen. Manchmal werden Träume schließlich Realität.