1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Warten auf den nächsten Zug

Warten auf den nächsten Zug

Von Marcel Duclaud 03.07.2007, 21:15

Wittenberg/MZ. - Die Lokführer wollen auf ihre Situation aufmerksam machen: "Das Unternehmen geht an die Börse, die Mitarbeiter werden dabei vergessen", klagt Peter Unger und fordert eine angemessene Gewinnbeteiligung. Schließlich sei die Verantwortung erheblich. Die Arbeitsbelastung habe zugenommen: "Wittenberg hatte vor der Privatisierung 150 Lokführer, jetzt sind wir um die 30."

Kundenbetreuerin Ute Uthmann geht es vor allem um bessere Arbeitsbedingungen: "Die Schichten sind familienunfreundlich, Überstundenausgleich erfolgt über kürzere Schichten, nicht über freie Tage. Und wenn es Schwierigkeiten auf der Strecke gibt, dann werden wir hier vor Ort im Regen stehen gelassen." Dienstag haben die Streikenden eine Art Notfalldienst eingerichtet. Ute Uthmann setzt sich ins Auto und fährt einen Mann aus Mühlanger nach Hause. Er hat es sehr eilig, muss dringend eine Anlage hochfahren.

Aber natürlich geht das nicht bei jedem Reisenden. Brigitte Schunk, ebenfalls aus Mühlanger, steht in der Bahnhofshalle neben ihrem Fahrrad und schaut nervös auf die Uhr: "Ich muss nach Gräfenhainichen zur Arbeit. 6.45 sollte mein Zug fahren. Ich habe keine Ahnung, wann ich hier wegkomme." Ihr fehlt das Verständnis für den Streik: "Es gibt viele Menschen, die einen anstrengenden, verantwortungsvollen Job haben und nicht viel Geld verdienen."

In ein Buch vertieft hat sich Elisabeth Piefke, sie sitzt in der Sonne und wirkt entspannt. Der jungen Frau bleibt nichts, als zu warten: "Ich habe kein Auto und muss nach Magdeburg zur Arbeit. Es ist einer dieser Tage... Das fing schon damit an, dass der Bus an der Stadthalle kaputt ging." Aufregen will sie sich nicht, die verlorene Arbeitszeit kann durch Überstunden ausgeglichen werden. Was Elisabeth Piefke gleichwohl ärgert, ist die Auskunft der Bahn-Hotline vom Abend zuvor: "Als ich endlich durchgekommen bin, was schwer genug war, haben sie mir mitgeteilt, dass sie nicht verraten können, ob der Zug nun fährt oder nicht."

Die Hotline möchte auch Petra Gätzschmann erreichen, ohne viel Erfolg freilich. Die Lehrerin, die in Berlin arbeitet, steht mit Meik Winkler und Silvia Piontek auf dem Bahnsteig. Die drei schauen auf die Anzeigetafel, dort ist der ICE angeschrieben, der eigentlich 6.32 Uhr starten sollte. In Sicht ist er nicht, aber "die Hoffnung stirbt zuletzt", wie es Silvia Piontek leicht sarkastisch formuliert. Wenig später blättert die Anzeige um, der nächste Zug nach Berlin, der aller Voraussicht nach nicht fährt, ist für 7.13 Uhr angekündigt. Silvia Piontek ist nicht amüsiert: "Ich bin pro Tag dreieinhalb Stunden unterwegs, um zur Arbeit und wieder nach Hause zu kommen. Und die Zeit, die ich jetzt verliere, muss ich nacharbeiten. Wir sollen immer für alles Verständnis haben, aber hat hier jemand Verständnis für uns?"

Meik Winkler blickt auf die Uhr und bietet den Umstehenden eine Fahrgemeinschaft in die Hauptstadt an. Dass er lieber den Zug nehme würde, verhehlt der Wittenberger nicht: "40 Minuten bis Berlin, das ist top, das schafft kein Auto. Man muss sich nur auf die Bahn verlassen können."