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Walter Gropius Walter Gropius: Bauhausbegründer war Landeskind

Von Corinna Nitz 19.02.2016, 15:56
Groß, größer, Gropius - so präsentiert sich ein Stammbaum zu den verzweigten familiären Wurzeln des Bauhaus-Gründers Walter Gropius. Recherchiert haben ihn Matthias Prasse (links) und Rainer Hummel in Buro.
Groß, größer, Gropius - so präsentiert sich ein Stammbaum zu den verzweigten familiären Wurzeln des Bauhaus-Gründers Walter Gropius. Recherchiert haben ihn Matthias Prasse (links) und Rainer Hummel in Buro. Alexander Baumbach

Buro - Eigentlich, sagt Matthias Prasse, eigentlich ist Walter Gropius „ein Landeskind“ von Sachsen-Anhalt. Wie jetzt? Der Walter? Gropius, der Bauhausgründer? Ein Frühaufsteherlandkind? Haben wir was verschlafen? Muss gar die Biografie des gebürtigen Berliners umgeschrieben werden?

An diesem Abend knistert im Kreuzritter-Gut von Prasse in Buro ein wärmendes Feuer, dabei täte auch Abkühlung gut. Der Kopf raucht, gefühlte Myriaden von Namen hallen nach, die Prasse (Kulturhistoriker) mit Rainer Hummel (Ortschronist) zusammengetragen hat. Sie führen sie tief hinein in Gropius’ weit verzweigte familiäre Wurzeln, die auch auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt liegen und bis Buro reichen, weshalb Prasses Vortrag „Walter Gropius - von Buro ins Bauhaus“ titelt.

Virtuelle Reise

Die Veranstaltung ist gut besucht - und mögen auch Mitarbeiter der Stiftung Bauhaus Dessau, die Prasse eingeladen habe, nicht da sein, so sind gleichwohl einige Kenner der Materie gekommen, wie die eine und andere Anmerkung nahelegt. Natürlich ist Hummel vor Ort, der zwar die Ausführungen Prasse überlässt, ohne den es aber den Vortrag nicht gäbe, wie Prasse betont. Demnach hatte Hummel voriges Jahr bei seinen Recherchen zu einer Familienchronik den letzten Domäne-Pächter von Buro, Philipp Bennecke (1882 bis 1946), aufgetan und dabei verwandtschaftliche Beziehungen zu Walter Gropius bemerkt. Wie sich herausstellen sollte, war Bennecke ein Großcousin.

Die Quellen nennt Prasse „hieb- und stichfest“ und lädt also ein zu einer virtuellen Reise, welche u. a. auch an die Küste führt, aber vor allem in Sachsen-Anhalt stattfindet und in Halberstadt beginnt. Dort lebte mit dem Schwarzfärber Nicodemus Graupe ein nachgewiesener Vorfahr von Gropius. Um 1636 habe er Halberstadt wegen der Pest verlassen. Nächste Station war Badersleben, wo Nicodemus’ Sohn als Lehrer arbeitete. Und weil gebildete Leute, die was auf sich hielten, Latein sprachen, wurde auch der profane Name Graupe geändert - zunächst in Graupius, dann in Gropius, so Prasse. Nach dieser ersten Zäsur nimmt die Spurensuche im Familiengeflecht samt gerader Linie und Seitenlinien immer mehr Fahrt auf. Es geht - die Reihenfolge ist an dieser Stelle beliebig - nach Hamersleben, Quedlinburg, Calbe, Rosenburg und Gunsleben (und mit Räbke auch nach Niedersachsen sowie nach Pommern).

Walter Adolf Georg Gropius wurde am 18. Mai 1883 in Berlin geboren. Er gilt neben Ludwig Mies van der Rohe und Le Corbusier als Mitbegründer der modernen Architektur. Nach dem Abbruch seines Architekturstudiums in München und Berlin trat Gropius 1907 in das Büro des Architekten und Industriedesigners Peter Behrens ein. Behrens war bis Kriegsausbruch Chefdesigner der AEG-Produkte aus dem Großunternehmen der Familie Rathenau. 1919 gründete Gropius in Weimar das Staatliche Bauhaus, 1925 zog die Kunstschule nach Dessau um, von 1932 bis 1933 wurde die Einrichtung nach Berlin verlegt. Unter dem Druck der Nationalsozialisten kam es zur Schließung und zur Emigration vieler Bauhausmitglieder. Gropius selbst, der bereits 1928 in Dessau die Leitung des Bauhauses an Hannes Meyer abgegeben hatte, emigrierte 1934 zunächst nach England und 1937 in die USA. In Cambridge arbeitete er als Professor für Architektur. 1944 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft. Er starb am 5. Juli 1969 in Boston. Bis 2019, wenn 100 Jahre Bauhaus gefeiert werden, soll die Stadt Dessau ein Bauhaus-Museum bekommen.

Der Vortrag über die familiären Wurzeln von Walter Gropius in Sachsen -Anhalt war vorerst die letzte Veranstaltung im Kreuzritter-Gut von Matthias Prasse in Buro. Prasse und seine Partnerin Dagny Peters werden im März Eltern und gehen in eine vorübergehende „Spielpause“. Unterbrochen wird die allerdings bereits am 13. März, dann findet von 10 bis 17.30 Uhr im Kreuzritter-Gut das zweite „Original Anhaltische Marmeladen-Festival“ statt. Wer selbst zu Hause Fruchtaufstriche macht, kann die an diesem Tag mitbringen und sich einer „Wettbewerbsverkostung“ stellen. Der Eintritt zum Marmeladen-Fest beträgt drei Euro. (mz/cni)

Weiter Infos finden Interessierte bei www.kreuzritter-gut.de zum Nachlesen auch im Internet.

Namen fallen, etwa Salfeldt, Honig, Bennecke, Henne. Alles ehrbare Familien, darüber hinaus auch erfolgreiche, die, um ihren Stand zu sichern, überdies eine kluge Heiratspolitik betrieben. Ein Fazit, das Prasse den Zuhörern zu vorgerückter Stunde präsentiert, schindet dann auch mächtig Eindruck: Sieben Prozent der ermittelten Vorfahren von Bauhaus-Gründer Walter Gropius waren „medizinisch“ tätig, jeweils zehn Prozent als Banker, als Kaufleute und in der Kunst. 17 Prozent machten Karriere als Offiziere, 21 Prozent waren Juristen und 24 Prozent Großlandwirte bzw. Domäne-Pächter. Womit wir auch nach Buro zurückkehren und zum Amtmann Philipp Bennecke. Bis 1945 war der Großcousin von Gropius dort Pächter des Gutes. Vom Gut existiert noch heute ein Gemälde, das der Maler Wilhelm Danz geschaffen hat, für dessen Ernennung zum Leiter der Kunstgewerbeschule in Dessau sich Prasse zufolge Gropius eingesetzt hatte. Nun geht man davon aus, dass Gropius zusammen mit Danz mal eine Landpartie nach Buro gemacht hat.

Umfangreiche Recherchen

Eindrucksvoll ist die Landpartie, die Prasse und Hummel für ihre Recherchen auf sich genommen haben. Praktisch alle Orte, die in dem auch an Abbildungen reichen Vortrag auftauchen, wurden besucht, einige hundert Kilometer Autofahrt kamen dabei zusammen. Ortschroniken haben sie gewälzt, Gespräche geführt, einen Tag brachte man in der Deutschen Nationalbibliothek zu. Denn was man an Ergebnissen der Hörerschaft präsentieren wollte, sollte „eineindeutig sein“ (Prasse). Hieb- und stichfest eben. In einem Punkt sind sich die Spurensucher aus Buro am Ende sicher: „Das war hier keine fremde Gegend für Gropius“, bekräftigt der Rittergutbesitzer und findet ergo, dass der Bauhäusler, der zwar nur kurze Zeit in Dessau und im Anhaltischen weilte, eigentlich doch ein „Landeskind“ ist und man das „touristisch auch herausstellen kann“.

Übrigens: Man könnte tatsächlich mal reisen zu den Familienorten derer von Gropius, Salfeldt, Honig oder wie sie alle hießen. Zumindest legt der Vortrag von Prasse den Eindruck nahe, dass es noch manches zu entdecken gibt.