Vermisste Kinder Vermisste Kinder: Wittenberger Christian Geers hilft bei der Suche

Wittenberg - Wenn Christian Geers am 25. Mai Luftballons mit Postkarten steigen lässt, dann will er an jene Kinder erinnern, die von einem Tag auf den anderen verschwunden sind. Deren Familien und Freunde ratlos zurückblieben und die nie aufgehört haben, sie zu suchen - egal, ob sie nun seit Tagen, Wochen oder Jahren vermisst werden.
Der 25. Mai ist der Gedenktag der vermissten Kinder. In diesem Jahr wird Christian Geers bei der Aktion am Halleschen Hansering (Leipziger Turm) zwischen 11 und 14 Uhr dabei sein. „Wir werden einen Info-Stand aufbauen und um 12 Uhr Luftballons mit unserem Logo und Postkarten in vielen Farben aufsteigen lassen“, sagt Geers.
Seit 2010 engagiert sich der 30-jährige Wittenberger bei der deutschlandweiten Suche nach Vermissten, trägt Pressemitteilungen aus Zeitungen, dem Fernsehen, aus dem Internet und der Polizei zusammen, spricht mit den Eltern, druckt und verteilt Handzettel. 97 Prozent der Vermisstenfälle von Kindern lösen sich meist in kürzester Zeit auf, weiß er.
Drei Prozent sind „Dauerfälle“, der älteste jener von Dirk Schiller, der vor 38 Jahren im Alter von dreieinhalb Jahren im Ostharz spurlos verschwand.
„Nach meiner Zivi-Zeit habe ich bei Facebook verfolgt, was da gegen Fälle von Gewalt und Missbrauch geschrieben wurde. Und ich habe überlegt: Das ist gut, aber was ist mit den vermissten Kindern?“ Mancher Fall wie jener der vermissten Inga bleibt relativ lange im Gedächtnis, andere tauchen nur kurz in den Medien auf.
Geers will die Öffentlichkeit in die Suche einbeziehen, er nutzt dafür soziale Plattformen im Netz wie auch klassische Verbreitungswege, etwa das Befragen von Passanten. Dafür opfert er einen großen Teil seiner Freizeit und jährlich 700 Euro seines Einkommens, manchmal auch mehr. Für einige Aktionen, etwa den Druck von Flyern, findet er Sponsoren.
Die Suche, die manchmal Erfolg hat, ist für ihn eine Herzenssache. „Kinder haben Schicksale“, weiß Christian Geers. Seine eigene Kindheit war alles andere als leicht. Seine Mutter hat er zeitig verloren, sein Vater starb, als er 17 war. „Er war Alkoholiker, hat mich immer wieder heftig geschlagen“, erzählt er. Deshalb kam Christian Geers mit elfeinhalb Jahren ins Heim.
„Es war ein Kinderhaus, und es war sehr familiär. Diese Zeit war eigentlich die beste.“ Als Jugendlicher wechselte er ins betreute Wohnen und lernte, allein zurechtzukommen. Er hat es gepackt.
Er holte seinen Realschulabschluss nach, machte eine Ausbildung zum Sozialassistenten und arbeitet seit einigen Jahren im Paul Gerhardt Stift. Auf die Frage, ob auch er eines der vermissten Kinder hätte sein können, zögert er: „Ja, das hätte auch mir passieren können.“
Vier Leute sind es in Wittenberg, die ehrenamtlich im Internet die Seite www.die-vermisstensuche.com betreiben und sogar eine App entwickelt haben. „Wenn ein Kind gefunden wird, würde ich mir nie den Erfolg zuschreiben“, so Geers. „Aber es ist schon eine Anerkennung, wenn die Eltern sagen, dass ich mitgeholfen habe.“ (mz)