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Tradition zum Jahreswechsel Tradition zum Jahreswechsel: Die Karpfen sind noch flink

Von ilka Hillger 30.12.2015, 14:31
Klaus Pinkert verkauft wie in jedem Jahr Silvesterkarpfen, auch am Donnerstag noch bis zur Mittagszeit.
Klaus Pinkert verkauft wie in jedem Jahr Silvesterkarpfen, auch am Donnerstag noch bis zur Mittagszeit. Klitzsch Lizenz

Horstdorf/Thiessen - Das Wetter macht die Karpfen flink. „Sie sind wirklich sehr aktiv“, sagt Klaus Pinkert und hat etwas Mühe, ein zappelndes Prachtexemplar mit dem Kescher zu fangen.

Stellt ordentliche Winterkühle die Fische sonst ruhig und lässt sie fast bewegungslos verharren, so gaben die milden Temperaturen der vergangenen Woche den Karpfen keinen Anlass für die Ruhephase. Aber an eine solche ist im Becken in Horstdorf ohnehin nicht zu denken.

Die glänzenden Rücken, die sich da knapp unter der Wasseroberfläche aneinander reiben, werden von Tag zu Tag weniger. Mit jedem Kunden, der das Grundstück des Fischermeisters mit einer prallen Tüte verlässt, nimmt der Platz im Becken zu. Klaus Pinkert verkauft wie in jedem Jahr Silvesterkarpfen, auch am Donnerstag noch bis zur Mittagszeit.

„Die sind natürlich nicht alle aus den Gewässern, die ich bewirtschafte“, sagt der Mann. Für die Karpfenhochzeit im Jahr arbeitet er mit einem Partner aus Sachsen zusammen, so dass ausreichend Fische zum Verkauf stehen. Gut eine Tonne Karpfen kämen so an die Kundschaft, drei bis vier Kilogramm wiegt ein Fisch. „Das reicht für eine Familie“, sagt Pinkert, denn man rechnet mit 500 Gramm pro Person.

Von Klaus Pinkert bekommt man den Karpfen ausgenommen und küchenfertig. Das ist inzwischen Standard. Selten nimmt sich heutzutage noch jemand das Tier mit nach Hause und lässt es vor dem Schlachten in der eigenen Badewanne schwimmen. Ohnehin, so Pinkert, sei dies nicht nötig, denn die Spiegelkarpfen werden vor dem Verkauf noch ausreichend gewässert und verlieren so einen etwaigen modrigen Geschmack. „Wenn ein Karpfen in dieser Jahreszeit nicht schmeckt, dann hilft auch eine Badewanne nicht mehr“, meint der Fischer. Nicht umsonst beschränke sich die Karpfensaison auf die Monate mit R, also die kühleren im Jahr. Dann würden die Fische kaum noch etwas fressen und somit selbst auch nicht muffig schmecken.

„Der Karpfen ist ja geschmacklich super“, findet Klaus Pinkert. Als Fischereimeister, der seit 1992 die Gewässer um und entlang der Elbe an rund 40 Flusskilometern bewirtschaftet, hat er den Vergleich. Ob gekocht oder gebraten, die großen Brocken sind durchaus sein Lieblingsfisch, und den eigenen für die Silvestertafel holt er sich ganz zum Schluss aus dem Becken, wenn auch wirklich alle Kundenwünsche erfüllt sind.

Wer zum Gehöft (Zur Trift 6) von Klaus Pinkert in Horstdorf kommt, kauft aber nicht nur Karpfen. „Hecht und Forelle wird auch gerne genommen“, so der Fischer, dessen Hände in diesen Tagen kaum noch trocken und warm werden. Einen guten Tipp gegen den Geruch an den Fingern hat der Profi auch noch. Er schwört auf die Edelstahlseife, die auf seinem Waschbeckenrand im Schlachtraum liegt. „Die hilft wirklich, auch bei Knoblauch und Zwiebeln. Ich wollte es erst nicht glauben.“ Und dann werden die Hände schon wieder nass, als der nächste Kunde in der Tür steht.

So geht es auch in Thießen zu. Dort ist der Forellenhof die erste Adresse in der Region, wenn Silvesterfisch gebraucht wird. Von 8 bis 12 Uhr kann man auch ohne Vorbestellung am heutigen Silvestertag seine Fischmahlzeit bekommen. „Wir haben ausreichend da“, versichert Mitarbeiter Cornell Lock. Die vier Tonnen Karpfen, die hier in jeder Saison verkauft werden, stammen aus einer Aqua-Kultur in der Lausitz.

Bis zu fünf Kilogramm wiegen die Spiegelkarpfen, die das frische Rosselwasser in den vergangenen sechs Wochen durchgespült hat. „Sie nüchtern durch“, sagt Lock, um dann am Ende doch wieder blau zu werden. Denn das ist die traditionelle Zubereitungsart für Silvesterkarpfen. „Salzkartoffeln dazu und Meerrettich, das schmeckt“, so der Mitarbeiter des Forellenhofes. Dort beobachtet man den Trend zum Filet. „Das ist für viele einfach bequemer. Wobei ohnehin vor allem die ältere Kundschaft zum Karpfen greift, während jüngere Leute eher Forellen nehmen“, sagt Cornell Lock.

In Thießen verkauft man die Karpfen noch bis Ostern. Da bleibt also Zeit, um eventuell doch noch auf den Geschmack für diesen Fisch zu kommen.

Fischverkauf ist bei Familie Blei in Jessen das ganze Jahr über, jedoch müsse im Sommer vorbestellt werden. Doch derzeit plätschert es im Gewächshaus im Garten von Familie Blei wie an einem munteren Bach. Dort, wo im Sommer Tomaten und Gurken gedeihen, reihen sich im Winter Hälterbecken mit Karpfen, Forellen, Stören und Schleien aneinander, die mit Frischwasser versorgt werden.

Seit 1998 betreibt das Ehepaar eine kleine Fischereiwirtschaft mit eigener Aufzucht und Hofladen. Ursprung war das Geschäft für Angler- und Jagdbedarf vom Senior Gerhard Blei. Das Angeln ist das große Hobby der Familie und Silke Blei gesteht schmunzelnd, dass der Fischereischein fast Bedingung für ihre Aufnahme in den Familienkreis war. „Aber ich habe das sehr gemocht, mit Angeln zu gehen, die Ruhe und die Natur zu genießen.“ Dazu bleibe ihr jetzt allerdings kaum noch Zeit. Und zum Jahresende ist es besonders turbulent. „Es kommen immer mehr, die zu Weihnachten und Silvester Fisch haben wollen“, so Silke Blei. Allerdings laufen Regenbogen- und Lachsforellen zumindest zu Weihnachten dem klassischen Karpfen den Rang ab.

Derzeit steht die ganze Familie ab 8.30 Uhr, wenn der Hofladen öffnet, bereit. Die Kunden können sich die Fische direkt am Becken aussuchen. Das Schlachten übernehmen Mario Blei und Sohn Florian Enrico - der 13-Jährige hat schon den kleinen Fischereischein und darf das. Fischwirt ist sein Traumberuf, erzählt der Siebtklässler.

Silke Blei ist als gelernte Köchin im Ausnehmen und Zerlegen von Fisch ebenso geschickt, aber sie hat mit dem Verkauf alle Hände voll zu tun. Schließlich wird neben dem frischen Fisch auch geräucherter, ebenfalls aus dem eigenen Ofen, angeboten. Und Fischgewürz sowie aus dem Spreewald Meerrettich und Gurken dazu.

Am Silvestertag können sich Kurzentschlossene in Jessen, Senatorweg 5, noch bis gegen 11 Uhr einen oder gar mehrere Fische bei Bleis aussuchen.