Tiny Houses in Cranach-Stiftung Tiny Houses in Cranach-Stiftung: Das klitzekleine Dorf in der Stadt

Wittenberg - Die alte Werkstatt der Cranach-Maler-Familie in Wittenberg hat schon manches gesehen. Zu DDR-Zeiten vermutlich nicht viel Gutes, erinnert sei an den unglaublichen Verfall der Höfe. Später dann - dank der Cranach-Stiftung - kamen auch wieder Künstler sowie Kinder zu Malkursen und Stipendiaten.
In diesen Tagen ist der ebenerdige Saal im Südflügel des Cranach-Hofs in der Schlossstraße 1 eine Mischung aus Wohnküche und Arbeits- und Beratungsraum. Tiny-House-Fans und Projektvertreter, in einem Seminar konnten Interessierte ihr eigenes Heim bauen, sitzen am Mittwoch vor Ostern beim Frühstück. Draußen ist nicht gut sein an diesem Vormittag, das Wetter geht einer seiner Lieblingsbeschäftigungen nach: es regnet. Der Boden im Garten ist aufgeweicht.
Künstlerische Intervention
Genau das, der Matsch, hat die Arbeit im Tiny House Village nicht ganz leicht gemacht. Das Projekt ist Teil der Sonderausstellung „Van Bo Le-Mentzel: Hartz IV Möbel and 62 cm Home“, die im Cranach-Haus am Markt 4 zu sehen ist.
Zeitgleich mit der Eröffnung der Schau am 9. März waren drei Mini-Häuser aus Berlin in den Garten des anderen Cranach-Hofes geschoben worden, an zwei weiteren wird noch gebaut. Jetzt aber kündigt der Kurator des Tiny House Village, Apo Can Ericek, für den 5. April die Eröffnung dieses Dorfs mitten in der Stadt an.
Zur Eröffnung des Tiny House Village (THV) am 5. April soll es nach Auskunft von Kurator Apo Can Ericek um 10.15 Uhr ein „öffentliches Frühstück“ geben. Wer teilnehmen möchte, wird gebeten, etwas beizusteuern. Die eigentliche Eröffnung sei um 14 Uhr, es wird der mehrstündige Film „3 Minutes of Love“ angekündigt. 17 Uhr können alle Minihäuser besichtigt werden, 18 Uhr soll es ein Buffet geben und 18.30 Uhr das Podiumsgespräch, bevor um 20.15 Uhr das „Hartz IV Cinema“ öffnet. Vom 17. bis 21. Mai werde es das THV-Festival „Art of Living“ geben.
Infos u. a. zu den THV-Programmen stehen auch bei www.cranach-stiftung.de im Netz. Wer sich für den Bau eines Tiny-Hauses interessiert, erhält Auskünfte via [email protected] per Mail.
Das sei, so teilt die Cranach-Stiftung auf ihrer Homepage mit, eine künstlerische Intervention, „die Migration, soziale Nachbarschaft und Bildung für eine gerechte Welt thematisiert“. Ja, manchmal muss man groß denken. Ericek indes kann die Schlagworte mit Leben füllen: Der gebürtige Kurde kam als Kind mit seiner Familie nach Deutschland, einige Jahre später „mussten wir raus“, über Paris (man wollte nicht in die Türkei) ging es irgendwann nach Basel, dort habe er Regie studiert, dann, in Berlin, Schauspiel.
35 Kubikmeter Heimat
In Berlin gefällt es Ericek, ihm gefällt auch die Tiny-House-Bewegung des Architekten Van Bo Le-Mentzel, er sitze mit im Vorstand des von Le-Mentzel mitbegründeten Vereins „Tiny House University“. Und er hat, beinahe bis zur Eröffnung der Wittenberger Ausstellung, mehrere Monate in einem solchen Minihaus „übernachtet“, das auf dem Gelände des Bauhaus-Archivs in Berlin stand und den Namen „35 Kubikmeter Heimat“ trägt.
Dafür habe er seine Unterkunft aufgegeben und sich von diesem und jenem Gegenstand getrennt, auch darum geht es schließlich - Reduktion und Minimalismus. „Man wird flexibler und kreativer“, sagt Ericek. Davon abgesehen habe ihn (eben angesichts seiner eigenen Biografie) die sechsmonatige Performance gefordert, auch über den Heimatbegriff nachzudenken.
Vielleicht spielt der ja auch eine Rolle, wenn am Eröffnungsabend des Tiny House Village zum ersten Podiumsgespräch eingeladen wird. Das Thema sei Migration und Tiny House, man habe bei Franca Bielig angefragt, sie ist seit kurzem wie berichtet Koordinatorin der „Netzwerkstelle - Ehrenamtliche Flüchtlingshilfe“ bei der Arbeiterwohlfahrt in Wittenberg.
Podiumsgespräche soll es dann regelmäßig immer donnerstags geben - jedenfalls für die Dauer des Tiny-House-Dorf-Projektes und der Sonderausstellung. Beides ist bis zum 27. Mai in Wittenberg zu erleben und genauso lange werde auch Kurator Ericek da sein. Der kann sich noch manches vorstellen, vor allem hoffe er auf viele Begegnungen mit Menschen aus der Stadt und der Umgebung.
Willkommen im Hartz-IV-Kino
Wann immer das Wetter in den vergangenen Wochen gut war, seien schon einige Interessierte aufs Gelände gekommen. Nun freut man sich dort auf die offizielle Eröffnung. Vielleicht ist dann auch jener Theologe aus Berlin da, von dem Ericek sagt, er habe sich das Tiny House, Typ „Tito“ gebaut, um damit - sagen wir mal, als mobile Kirche - herum zu reisen.
Und noch etwas wird am Eröffnungsabend erstmals geboten im Garten der Schlossstraße 1: das „Hartz IV Cinema“, das jeder gegen einen „symbolischen Spendenbetrag“ besuchen kann und für das noch Programmvorschläge eingereicht werden könnten. (mz)
