Tagung in Wittenberg Tagung in Wittenberg: Mehr als nur Strom im Blick

WITTENBERG/MZ/KBL - Das Wochenende für die Tagung der Evangelischen Akademie war nicht glücklich gewählt. Just als in Wittenberg unter dem Titel „Energiewende - und wie!?“ die Diskussion startete, wurde in Berlin zum gleichen Thema demonstriert. Hier wie dort ging es um die Frage, ob der Ausbau der erneuerbaren Energien zu schnell oder zu langsam erfolgt, ob er gut koordiniert oder eher ziellos ist. Und ob der ehrgeizige Plan, in Deutschland bis 2050 immerhin 80 Prozent der Energie aus regenerativen Quellen zu gewinnen, nicht doch zu hoch angesetzt ist.
Die kleine Umfrage zu Beginn gab ein skeptisches Bild auf den derzeitigen Stand in Sachen Energiewende. Die große Mehrzahl der Teilnehmer sah diesen schlechter als erwartet, die Regulierung des Marktes bisher als nicht ausreichend und den Ausbau von Energienetzen und -speichern als derzeit vordringlich an. Manche Frage wurde im Laufe der Tagung von den zahlreichen Experten beantwortet, die die Energiewende aus Sicht von Produzenten (klassisch und erneuerbar), Wissenschaftlern (technologische Fortschritte), Volkswirtschaftlern und Naturschützern beleuchteten.
Pro und Kontra der Energiewende
„Die Prognose, dass der Strompreis steigt, wenn die Atomkraftwerke abgeschaltet werden, hat sich nicht erfüllt“, zog Christine Kühnel eine interessante Schlussfolgerung. Steinkohle hingegen ist inzwischen so billig, dass sie aus den USA nach Europa geschafft wird. Auch das dürfte ein Grund sein, warum die Treibhausgas-Emissionen nicht wie erwartet weiter sinken. Kühnel, studierte Wirtschaftsingenieurin und wissenschaftliche Referentin des Forschungsforums Energiewende, gab einen knappen, aber fundierten Überblick zu Pro und Kontra der Energiewende. Deutlich wurde vor allem, dass Energiewende nicht mit Stromwende gleichzusetzen ist. Energie ist mehr als Strom.
Die Expertin von der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften verwies darauf, dass 49 Prozent der benötigten Energie in Form von Wärme verbraucht wird, weitere 30 Prozent fließen in den Verkehr. „Wärme und Verkehr lassen sich jedoch nicht so einfach per Gesetz steuern wie bei erneuerbaren Energien“, räumte sie ein. „Wir brauchen Flexibilitätsoptionen“, schloss Christine Kühnel den weiteren Betrieb von Gaskraftwerken und anderen kurzfristig abschaltbaren Lasten auf lange Sicht nicht aus. Stromnetze müssten ausgebaut, effektive Speicher entwickelt werden, sagte sie. Häuser dämmen, statt des Autos das Fahrrad nehmen, die eigene Solaranlage aufs Dach - Möglichkeiten gibt es viele. Kühnel sah die Entwicklung offen. „Es muss jeder seinen persönlichen Weg finden“, sagte sie.