Tag der Industriekultur Tag der Industriekultur: Industriegeschichte mit dem Rad erleben

Bergwitz/Ferropolis/MZ - „Sachsen-Anhalt unter Strom“ lautet das diesjährige Motto des Tages der Industriekultur. Zwei als Sternfahrt organisierte Radtouren von Wittenberg und Bitterfeld nach Ferropolis lassen dabei einige ehemalige Industriestandorte hautnah erleben. Für die Wittenberger Pedalritter gibt es etwa den Zwischenstopp in Bergwitz - das bis in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts stark durch den Tagebau „Roberts Hoffnung“ geprägt war. Die Ruine der Brikettfabrik am Bahnhof gibt noch heute Zeugnis von der Industriegeschichte des heute vor allem für sein Naherholungsgebiet bekannten Dörfchens bei Kemberg. Eines der Schmankerln wird dabei das Modell der Brikettfabrik sein, dass derzeit im Bergwitzer Waldhaus ausgestellt ist.
Wiederaufbau nach Demontage
„Nach der Demontage 1946/47 als Reparation für die Kriegsschäden hat man Ende der 40er Jahre mit dem Wiederaufbau angefangen“, erzählt der ehemalige Schlosserlehrling Gerhard Hüttich. Er begann seine Ausbildung 1949 in dem Werk - in dem schon sein Vater und Großvater gearbeitet hatten. „Das war ja in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der größte Arbeitgeber hier in der Gegend“, unterstreicht er die Bedeutung der Anlage. Nach der Schließung der Grube wurden die Gebäude zweckentfremdet. „In dem Gebäude, in dem eine ganze Zeit die Sparkasse war, stand die Waage für die Kohlenwagen. Und zu DDR-Zeiten war der Konsum im Kesselhaus eingezogen“, erzählt der 78-Jährige. Dass drei Generationen unter einem Dach gearbeitet haben, war für den damaligen Teenager kein Problem: „Das ging alles reibungslos“, erzählt er.
Vor einigen Jahren traf er einen ehemaligen Mitschüler wieder, der Modelle von Tagebau-Großgeräten für die Ausstellung in Ferropolis baute - da wurde die Idee geboren, auch einmal en miniature zu zeigen, was denn mit der dort gewonnenen Braunkohle später geschieht. „Bergwitz war ja ein wichtiger Lieferant für das Kraftwerk in Zschornewitz“, sagt Hüttich.
Damit nun die Geschichte seiner alten Lehrwerkstatt nicht in Vergessenheit gerät, hat er in vierjähriger akribischer Arbeit ein Modell der Brikettfabrik aufgebaut. „Da hat mir der Ortschronist Hans-Joachim Jilo sehr geholfen. Außerdem durfte ich in die Gebäude rein und habe da über 100 Aufnahmen angefertigt, um den Komplex möglichst realistisch wieder aufzubauen“, berichtet er. Das Modell selbst hat er dann im Maßstab 1:120 angefangen - um nach kurzer Zeit auf 1:87, das handelsübliche Maß für H0-Modellanlagen, zu wechseln. „Das war aber kein Problem - im Werk selber gab es auch zwei Spurweiten - Schmalspurbahn für den Tagebau und dann die Normalspur für die Anbindung an die Reichsbahn“, erklärt der Modellbauer. Das Modell der Bergwitz-Kemberger Eisenbahn, das derzeit im Kemberger Rathaus ausgestellt wird, passt nicht an die Brikettfabrik - es ist im Maßstab TT, also 1:120, gebaut.
Ab 10 Uhr zur Stelle
Für die Radfahrer, die am Sonntag das Modell besichtigen wollen, hat Gerhard Hüttich sich schon Zeit eingeplant. „Ich bin ab 10 Uhr da und werde erzählen“, verspricht der gebürtige Bergwitzer.