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Start-up-Unternehmen Start-up-Unternehmen: Von Selbitz in die weite Welt

Von Alexander Baumbach 06.11.2015, 08:59
Nicole Oberhofer produziert ein Messgerät für Kinderfüße
Nicole Oberhofer produziert ein Messgerät für Kinderfüße Baumbach Lizenz

Selbitz - Nicole Oberhofer sieht optimistisch in die Zukunft. „Das nächste Jahr wird sehr herausfordernd, aber wir freuen uns schon drauf“, erklärt die 31-Jährige. Sie ist die Erfinderin und Geschäftsführerin von „Clevermess“ - einem Start-up-Unternehmen mit Sitz in Bayern. Ihre Erfindung: ein Messgerät, dass vor allem bei Kindern einen optimalen Sitz der Schuhe garantieren soll. „Wenn man Schuhe kauft, dann hat man das Problem, dass die an dem Tag passen, an dem man sie kauft. Was wird aber vier Wochen später?“, fragt die Mutter zweier Kinder. Alles könne man heutzutage kontrollieren, nur eben den optimalen Sitz des Schuhwerks nicht. Vor dieses Problem gestellt, begann Nicole Oberhofer vor drei Jahre im heimischen Keller mit ersten Versuchen. „Das begann ganz klassisch. Wir haben tatsächlich Holzmodelle im Keller gebaut. Heute arbeiten wir mit einer Firma zusammen, die Kunststoff-Spritzguss anbietet. Seit Juni produzieren wir komplett vom Werkzeugbau bis zum fertigen Produkt in Gunzenhausen“, erklärt die 31-Jährige. Ein bisschen hört man bei ihr den bayrischen Akzent heraus. Die gebürtige Selbitzerin lebt seit nunmehr zwölf Jahren nicht mehr in dem beschaulichen Dorf in der Elbaue, sondern im malerischen Altmühltahl zwischen Nürnberg und München.

Das WMS-System des Deutschen Schuh-Instituts (DSI) unterscheidet seit mehr als 40 Jahren abhängig von Länge und Weite des Fußes zwischen mittleren, kräftigen und zierlichen Füßen. WMS-Lizenzen werden nur an qualifizierte Schuhhersteller vergeben. Messfehler gibt es bei Kinderschuhen zuhauf. Das Drücken mit dem Daumen auf den Schuh ist die gebräuchlichste und auch ungenaueste Methode von allen. Nicht nur der natürliche Rückzug- reflex der Kinderzehen macht diese Methode äußerst unsicher, sondern auch der Aufbau des Schuhes. „Zwölf Millimeter lassen sich nur schwer erfühlen“, erklärt Nicole Oberhofer dazu. Auch Pappschablonen seien nicht genau. „Beim Einschieben in den Schuh kann sich der Schablonenstreifen unbemerkt verbiegen und führt zu falschen Messungen.“ Mehr Informationen zu „Clevermess“ gibt es im Internet unter www.clevermess.de

Patent in den USA

Seit Oktober ist das „Clevermess“ in den Vereinigten Staaten als Patent eingetragen. „In Europa dauert die Beantragung etwas länger. Da gibt es viel Bürokratie, viel Papier, viele Übersetzungen“, erklärt die gelernte Fremdsprachenkorrespondentin. Die Zielgruppe des Messgeräts sind vor allem Eltern von Kindern zwischen einem und sechs Jahren. „Die Kleinen können gar nicht sagen, ob ihnen ein Schuh richtig passt. Wenn da ein ,Ja’ kommt, dann weil der Schuh schön blinkt oder toll aussieht“, erzählt sie. Kinder könnten problemlos Schuhe tragen, die zwei Nummern zu klein sind. Die Knochen in den Füssen seien noch sehr weich, in zu engen Schuhen verforme sich der Fuß. Bei zu großen Schuhen rutsche der Fuß beim Abrollen auf der Sohle hin und her. Beide Effekte gilt es zu vermeiden. „Sonst entstehen Haltungsschäden, im schlimmsten Fall dadurch Rückenschäden. Oder die Großzehe kippt über, das ist dann auch sehr schmerzhaft“, erklärt Nicole Oberhofer.

Um das zu vermeiden, verbindet das von ihr entwickelte System die Fußmessung mit dem Vergleich des Schuhs. Auf das Plastikchassis werden ein Fersen- und ein Zehenanschlag aufgesteckt, bevor sich das Kind auf den „Clevermess“ stellt. Dazu kommt eine Brücke, die die Breite des kindlichen Fußes abtastet. Ist die Messung abgeschlossen, werden die Anbauteile entfernt und das Messgerät in den Schuh geschoben. Im Schuh ermittelt dann ein Mikroprozessor an Bord die Innen-Architektur des Schuhs. „Das ist digital, so ist es auch für die Väter interessanter“, erklärt Nicole Oberhofer schmunzelnd. Das Gerät zeigt dann millimetergenau an, wie viel Platz im Schuh ist - einsetzbar ist „Clevermess“ zwischen Schuhgröße 21 und 41. „In einem neuen Schuh sollten etwa zwölf bis 16 Millimeter Luft sein. Sechs Millimeter braucht der Fuß beim Abrollen, sechs Millimeter sind Wachstumsreserve“, erklärt die Erfinderin. Nicht nur in Haushalten soll „Clevermess“ Verwendung finden. „Wir arbeiten jetzt schon mit dem deutschen Schuhinstitut zusammen und nutzen das WMS-System.

Idealerweise kann unser Produkt dann auch im Fachhandel eingesetzt werden. Aber sind wir mal ehrlich: Bei einem Preis von 46,90 Euro - wenn man nur einen Fehlkauf vermeidet, hat man die Kosten für das Gerät wieder drin“, erklärt Nicole Oberhofer. Mehrere Tausend Systeme hat die Firma bereits verkauft. Mit verschiedenen Partnern in Österreich, der Schweiz und Polen arbeitet Nicole Oberhofer jetzt schon zusammen. (mz)