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Stadtgespräch in Wittenberg Stadtgespräch in Wittenberg: Mission: Saubere Stadt

Von Alexander Baumbach 12.10.2016, 15:19

Wittenberg - Eins muss man den Wittenbergern lassen: Mit der Aktion „Saubere Stadt“ scheinen sie es ernst zu meinen. Na gut, zumindest einige. Im Stadtgespräch im Großen Saal des Alten Rathauses trafen sich am Dienstagabend Stadtverwaltung, Entsorger, Bürger und auch die Marketinggesellschaft, um darüber nachzudenken, wie man den Effekt - Vorsicht, Verwaltungsfloskel - „verstetigen“ könne. Rund 40 Bürger sind dem Ruf des Oberbürgermeisters Torsten Zugehör (parteilos) gefolgt. „Das liegt wahrscheinlich am Wetter. Umso mehr freut es mich, dass Sie sich durch Ihr Erscheinen hier auch gleich zur verbindlichen Teilnahme beim nächsten Aktionstag verpflichten“, scherzt das Stadtoberhaupt zu Beginn der zweistündigen Abendveranstaltung. Bleibt das Interesse so, wie es im Frühjahr war, braucht es solche Zwangsverpflichtungen nicht: 600 Bürger hatten sich an 30 Stellen im Stadtgebiet zum gemeinsamen Ordnungschaffen aufgerafft. 160 Kubikmeter Müll, davon acht Kubikmeter Sondermüll, wurden entsorgt.

Jeder kann Teil der Kampagne werden: Der endgültige Slogan für die Aktion „Saubere Stadt“ steht nämlich nicht in Stein gemeißelt. „Bitte senden Sie uns Ihren Vorschlag bis zum 4. November 2016 an die Lutherstadt Wittenberg unter dem Stichwort ,Slogan Saubere Stadt’“, ruft Oberbürgermeister Torsten Zugehör seine Mitbürger auf. „Dieser soll auf sämtlichen

Oberflächen angebracht werden, die im Rahmen der Kampagne festgelegt werden. Dazu zählen unter anderem Papierkörbe und wetterfeste

Aufsteller an Standorten, die immer wieder verschmutzt vorgefunden werden“, erklärt Pressesprecherin Karina Austermann. Einsendungen können per Post an Lutherstadt Wittenberg, Stephan Schelhaas, Lutherstraße 56 in 06886 Lutherstadt Wittenberg, per Telefon unter der Rufnummer 03491/42 16 32, per Fax unter 03491/42 16 98 oder per Mail an [email protected] eingereicht werden. Die Einsender werden dann zu einem kreativen Workshop am 23. November eingeladen - danach wird der finale Slogan dann der Öffentlichkeit vorgestellt. 

Mehr Informationen zur Kampagne und die Präsentation von Franka List gibt es auf der Homepage der Stadt.

Damit der Aktionstag keine Eintagsfliege bleibt, hat nun die Stadtverwaltung zusammen mit der Marketinggesellschaft einen Fünf-Punkte-Plan ausgearbeitet.

Fünf Säulen für saubere Stadt

Die erste Säule soll der Aktionstag bleiben - und eventuell nicht nur einmal im Jahr. Auch der Grillabend, der im Frühjahr die Premiere des öffentlichen Putzens ausgeläutet hat, soll fester Bestandteil bleiben. Wann der nächste stattfindet, werde im Februar verkündet, hieß es.

In einem zweiten Schritt soll auf Plakaten, wetterfesten Aufstellern (dafür gibt es in einem ersten Gedankenexperiment jetzt schon 18 mögliche Aufstellungsorte), Aufklebern - aber auch im Internet, den sozialen Netzwerken und in der Zeitung für die Ziele der Kampagne geworben werden. Ein Maskottchen dafür existiert bereits: der Wittenberger „Saubär“. „Es soll auffällig, einprägsam und sympathisch sein. Außerdem wollen wir damit Bürger, Vereine, Unternehmen und Kinder gleichermaßen ansprechen können. Außerdem ist der ,Saubär’ modular einsetzbar“, erklärt Marketing-Expertin Franka List die lustige Figur zum traurigen Hintergrund.

Aber nicht nur um die positive Motivation hat man sich Gedanken gemacht. „Es wird auch wieder eine Gelbe Karte geben, die als freundliche Erinnerung des Stadtordnungsdienstes gedacht ist. Das ist eine erprobte Methode, den Bürger zunächst auf Fehlverhalten hinzuweisen, bevor es zu Bußgeldverfahren kommt“, erklärt Franka List. Bedenken, ob das ausreicht, hat der Piesteritzer Heiner-Friedrich List. „Als ich neulich einen Müllsünder auf frischer Tat ertappt habe, habe ich beim Ordnungsamt angerufen, den Fall geschildert und das Autokennzeichen durchgegeben. Da wurde ich abgewimmelt“, erklärt er. „Da kann ich nur bitten: Rufen Sie beim nächsten Mal wieder an“, entgegnet Torsten Zugehör. Vor allem sei es schwierig, bei allen Beteiligten den Stellenwert des Themas im Kopf zu verankern.

Kinder als Aufpasser

Dafür greift die Stadt zu einem kleinen Kunstgriff: Die vierte Säule der Kampagne zielt auf Projekttage an Schulen. „Wir alle wissen, wie nervig Kinder sein können - und wenn die sagen ,Papa, schmeiß das mal nicht da hin’, dann könnte das schon Wirkung zeigen“, erklärt der Oberbürgermeister. Als fachliche Unterstützung für diese Aufgabe hat er sich Ronny Zegarek ins Boot geholt. Mit zwei zweiten Klassen hat dieser unlängst zu dem Thema einen Wandertag durchgeführt. Der Unternehmer, der seit 1990 im Abbruch- und Entsorgungswesen tätig ist, sieht ein Problem in der unglaublichen Komplexität des Abfallrechts - und der damit verbundenen Unsicherheit der Bürger. Seit November letzten Jahres betreibt seine Firma eine Annahmestelle für Abfälle in Reinsdorf. Vom Pflanzenrest über Elektrogeräte bis zum Sperrmüll reicht die Palette des Unrats, den seine 40 Mitarbeiter hier in Empfang nehmen.

„Wir haben bis zu 400 Kunden am Tag, die haben ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein und wollen ihren Müll richtig entsorgen - aber der Informationsbedarf ist unglaublich hoch“, erklärt er. Er macht das auch direkt an Beispielen fest: „Wenn ich sehe, was da beim Aktionstag im Wald gefunden wurde - das meiste davon hätte man kostenlos bei uns abgeben können. Was die Leute da für einen Aufwand betreiben, ihre Waschmaschine in den Wald zu schmeißen, obwohl es bei uns so einfach ist, ist unglaublich“, erzählt er kopfschüttelnd.

Heiner-Friedrich List hat noch ein ganz anderes Problem: Beim Abgeben von Bauschutt in Reinsdorf habe er Farbeimer entsorgen wollen. „Die wurden mir aber nicht abgenommen, mit denen musste ich nach Rackith fahren“, erzählt er. Warum? Wegen Problemen bei der Ausschreibung der Entsorgungsverträge habe für diesen Spezialfall die Awu den Zuschlag erhalten - bis 2022. „Wenn das Ökologie ist, wegen drei Farbeimern 17 Kilometer durch den Kreis zu kutschen, dann weiß ich auch nicht“, schimpft List über das Abfallrecht.

App für Smartphone geplant

Einen fünften Trumpf hat die Marketinggesellschaft für die Sauberkeitskampagne noch im Ärmel: die „Melder-App“ fürs Smartphone. Die ist zwar derzeit noch in der Planungsphase, ein Erscheinungsdatum steht deshalb noch nicht fest - aber sie soll vor allem ein Mittel sein, schnell Hinweise, Anregungen und Beschwerden zu übermitteln - gleich mit Fotos vom entdeckten Schandfleck. „Das ist vor allem auch als Ergänzung und Erweiterung des Bürgertelefons zu sehen“, erklärt Franka List.

(mz)

Das Thema bewegt zwar viele Wittenberger - dennoch blieben auch viele Stühle im Alten Rathaus leer.
Das Thema bewegt zwar viele Wittenberger - dennoch blieben auch viele Stühle im Alten Rathaus leer.
Alexander Baumbach