Sie trauen sich nochmal
wittenberg/MZ. - Das Kleid ist dasselbe wie 2008. Die Braut auch. Dafür gibt es Gründe. "Ich habe Katharina studiert", sagt Christiane Dalichow. "Ich fühle wie Katharina." Günter Petermann fühlt auch was. "Ich fühle mich wohl", sagt er vorsichtig. Dalichow (33) und Petermann (58) sind das Wittenberger Lutherpaar zum Stadtfest "Luthers Hochzeit" 2012. Für beide ist es keine neue Rolle, beide waren schon Luthers in anderen Städten, in Coswig etwa oder in Haderslev.
Eingespieltes Team
"Wir sind ein eingespieltes Team", erklärt Christiane Dalichow, Tourismus- und Eventexpertin mit klarem Schwerpunkt Historie. Sie und Petermann, im Berufsleben "technischer Mitarbeiter" bei SKW, kennen sich aus einschlägigen Vereinen, etwa aus "Tertius Gaudens", dessen Vorsitzende Dalichow ist.
Warum hätten sie also ausgerechnet diesmal nein sagen sollen? "Es ist eine große Ehre", zum zweiten Mal in Wittenberg die Katharina darstellen zu dürfen, sagt im Gegenteil Dalichow, den Lilienstrauß auf dem Schoß, gestern Mittag vor den Medien im immer etwas düster-prächtig wirkenden Historischen Bürgermeisterzimmer des Alten Rathauses. Sie wolle auch nichts anders machen gegenüber 2008, als sie zum ersten Mal zu "Luthers Hochzeit" in die Rolle der Katharina schlüpfte, damals mit Jürgen Donde von der "Stadtwache" an ihrer Seite. Es wird bestimmt wieder Stress, offenbar aber schöner Stress - wenn Kinder sie auf der Straße tatsächlich für Katharina halten, zum Beispiel.
Lara Vogt würde so etwas natürlich nicht passieren: Die Zehnjährige ist selbst Katharina und ihr Martin, Stefan Lahne, geht in die selbe Klasse wie sie. Das Kinderpaar zum Stadtfest kommt diesmal aus der Diesterwegschule, zeigt sich recht sattelfest in der Familiengeschichte des Reformators und verfügt dank der Eltern ebenfalls bereits über mehrjährige Stadtfesterfahrung. "Wir machen immer mit", sagt Stefans Mutter Martina Lahne, nicht in einem Verein, sondern einfach so. Deshalb darf Lahne auch "Kostüm" sagen, wie jedermann, und nicht "Gewand", wie man muss, bei den Fachleuten.
Man spürt ihre Begeisterung für das Fest und diese andere, ferne Zeit. Dass ihr Stefan jetzt ein kleiner Luther ist und am Sonntag, dem 10. Juni ganz prominent mitlaufen wird im Festumzug der Kinder, ist für sie jedenfalls ein "schöner krönender Höhepunkt" der Grundschulzeit, sagt Martina Lahne, die dann auch wieder ein ganzes langes Wochenende herumlaufen wird in mittelalterlich anmutenden Kleidern, nicht Magd, nicht Adel, irgendwo zwischendrin.
Ideeller Wert
"Vielen Dank, dass Sie den Kindern Mut machen", wendet sich der Oberbürgermeister an die Eltern. Die Bedeutung des Stadtfestes für das "soziale Leben der Stadt" könne gar nicht hoch genug veranschlagt werden, sagt Eckhard Naumann (SPD); für viele, gerade in den Vereinen, sei die Festvorbereitung ja geradezu ein "Jahresprogramm". Johannes Winkelmann, Geschäftsführer des Hauptorganisators "WittenbergKultur" würdigt diese Art des "bürgerschaftlichen Engagements" als einen "ideellen Wert, der unbezahlbar ist für die Stadt". Dass es eigentlich darum geht, ein Wochenende lang gemeinsam Spaß zu haben, muss die hehren Worte nicht schmälern. Im nächsten Jahr geht die Erfolgsgeschichte "Luthers Hochzeit" zum 20. Mal über die Bühne. Und wieder werden Tausende Bürger beteiligt sein.
Bitte recht freundlich!
Vor dem Alten Rathaus haben die Fotografen noch immer nicht genug. Bitte hierhin, bitte dorthin, und immer recht freundlich, bitte auch dort oben auf dem Balkon. Christiane Dalichow und Günter Petermann wissen, was man von ihnen erwartet. Freundlich posieren sie auch für zwei junge Schülerzeitungsreporter, unterwegs im Auftrag der Publikation "Schlossgeflüster" aus Elsterwerda. "Wegen Luther" sind die Jungs mit ihrer Klasse vom Schloss-Gymnasium in die Lutherstadt gekommen, dass sie ihn tatsächlich treffen würden, das war nicht vorgesehen und erwartet worden. Aber manchmal hat Journalismus eben auch mit ein wenig Glück zu tun.