Serienbrief von der Reichsregierung
Wittenberg/MZ. - Dabei wirft ihm die "Kommissarische Regierung des Staates Zweites Deutsches Reich" Landesverrat vor und hat ihn bei der amerikanischen Justizbehörde und bei der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation angezeigt. So steht's zumindest in einem Brief, den ein gewisser Matthias Pilz, seines Zeichens Oberreichsanwalt bei dieser ominösen Regierung, an ihn und weitere Stadträte geschickt hat und der im nicht öffentlichen Teil der Stadtratssitzung kurz behandelt worden ist. "Irgendwo zwischen Verfassungsschutz und Psychiatrie" ordnet Popp das Schreiben ein.
Das hört man in Zehlendorf sicher nicht gern. "Ich besitze zwei nervenärztliche Gutachten, die besagen, dass ich kein Ding an der Waffel habe", zitierte das Nachrichtenmagazin "Focus" den "Reichskanzler" Gerhard Günther Ebel im Jahr 2000. Dass der Brief in Ebels Organisation gewachsen ist, kann man an den Telefonnummern ableiten. Die auf dem Brief vermerkte ist dieselbe wie auf der Internetseite. Allein, einen "Oberreichsanwalt" Pilz sucht man da vergeblich. Dafür findet man den Namen eines Bürgers des Landkreises Wittenberg. Der soll Landtagspräsident im Freistaat Preußen sein. Den gibt's zwar in der Bundesrepublik nicht, allerdings gibt's die Bundesrepublik auch für die Reichsregierung nicht. Wegen eines Fehlers in der Terminkette zur Wiedervereinigung soll sie aufgehört haben zu existieren, heißt es in dem Brief.
"Reichsminister und Botschafter, die mit Ihre Exzellenz angesprochen werden wollen, gibt es tonnenweise", sagt der Leiter des Dessauer Staatsschutzes, Sven Gratzik. Zwar steht die Reichsregierung nicht unter dessen Beobachtung, einen Absatz im Landesverfassungsschutzbericht 2005 war sie dennoch wert. Seit Anfang 2000 sei sie durch verstärkte Aktivitäten bekannt. Eben auch durch die Androhung von Sanktionen gegenüber öffentlich Bediensteten. "Gedanklich in die Tonne treten und den Brief zu Polizei", empfiehlt Gratzik. Denn inzwischen werden die Schreiber solcher Briefe laut Gratzik verfolgt: Amtsanmaßung und die missbräuchliche Verwendung von Hoheitssymbolen, heißen die Gründe in der Regel. Schließlich prangt der Bundesadler auf den Schreiben. Und vielleicht deshalb ist ein "Matthias Pilz" zumindest als "Oberreichsanwalt" im Internet nicht zu finden.
Dafür aber offensichtlich die Adressen der Stadträte. Aus dem an ihn gerichteten Brief schließt das wenigstens Popp. "Der hängt jetzt an der Wand neben anderen Kuriositäten", sagt der Stadtrat. Zumal er nicht wüsste, was er sich zuschulden hat kommen lassen. Mindestens ein Brief an die Wittenberger Stadträte geht jetzt allerdings an die Polizei.