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Selfischhaus in Wittenberg Selfischhaus in Wittenberg: Notsicherung für die Perle ohne Glanz

Von Irina Steinmann 12.09.2019, 14:12
Am Wittenberger Markt: Staatssekretär Gunnar Schellenberger (Mitte) überreicht den Fördermittelbescheid an Oberbürgermeister Torsten Zugehör (rechts). Das Vorderhaus von Markt 3 schließt sich rechts des Bildes an.
Am Wittenberger Markt: Staatssekretär Gunnar Schellenberger (Mitte) überreicht den Fördermittelbescheid an Oberbürgermeister Torsten Zugehör (rechts). Das Vorderhaus von Markt 3 schließt sich rechts des Bildes an. Toni Rzehak

Wittenberg - Er werde wiederkommen, wenn’s fertig ist, hat der Staatssekretär da tatsächlich gerade gesagt. Und weil Gunnar Schellenberger nicht mehr ganz jung ist, besteht also vielleicht doch Anlass zu Hoffnung. Auch wenn’s nicht danach aussieht. Es geht um das Gebäude Markt 3, zentralste Wittenberger Stadtlage also, knapp 4000 Quadratmeter - und leerstehend seit vielen Jahren. Hier war mal das Kaufhaus der Lutherstadt. Am Mittwoch ist der Christdemokrat aus dem Kultusministerium des Landes nach Wittenberg gereist, um einen Fördermittelbescheid zu überbringen.

Alternative Abriss

Es geht um 200000 Euro für die Notsicherung eines Hinterhauses der Anlage, das sogenannte Barockgebäude, ein direkter Nachbar des ungleich berühmteren Cranach-Hauses Markt 4. Ein Tropfen auf den heißen Stein also angesichts der vielen Millionen, die es kosten würde, den gesamten Markt 3 für eine neue Nutzung herzurichten.

Ohne diese Förderung aber hätte er einen Abrissantrag stellen müssen, erklärt der Bevollmächtigte des Berliner Eigentümers, welcher keine Person ist, sondern eine Gesellschaft. Für das genannte Hinterhaus wohlgemerkt.

Nun aber, so Thomas Ulrich Bolbrock, selbst seit mehr als zwei Jahrzehnten in der Wittenberger Altstadt engagiert und darüber 72 Jahre alt geworden, seien die Voraussetzungen gegeben, dass dort „irgendwann weitergebaut werden kann“.

Er sagt es genau so und auf Nachfrage noch einmal: irgendwann. Freilich unterstreicht dies gerade die Notwendigkeit der Notsicherung, die mit Erlaubnis der öffentlichen Hand wie berichtet bereits begonnen worden ist. Ziegel und Fachwerk werden ausgetauscht und damit die Fassaden stabilisiert, ebenso Balken im Dach, die teils von Schwamm befallen sind. Neu gedeckt, so Bolbrock, werde das Dach bei dieser Gelegenheit aber nicht - es kommt vorläufig Wellblech drauf.

Ein Gang durch das Barockgebäude offenbart, was da alles noch zu tun ist. Kaum zu glauben, dass dieser Teil der Anlage dem „Kaufhaus am Markt“ bis zuletzt als Lager gedient hat. Früher einmal, berichtet die Kunsthistorikerin Insa Christiane Hennen, die sich im Rahmen des Forschungsprojektes „Ernestinisches Wittenberg“ ausführlich mit dem gesamten Ensemble Markt 3 befasst hatte, hätten sich dort wohl eine Art besserer Studentenappartements befunden.

Weite Teile dieses südöstlichen Seitenflügels seien 18. Jahrhundert, eben barock, insgesamt aber wird der Markt 3 auf das 15./16. Jahrhundert datiert. Und mag er nicht so bekannt sein wie der Nachbar - völlig zu Unrecht übrigens, wie es manchmal heißt - so kommt ihm doch allein schon deshalb eine große historische Bedeutung zu, weil das Haus Samuel Selfisch gehörte. Verleger, Buchhändler und kommunalpolitischer Akteur bis hin zum mehrmaligen Bürgermeisteramt, wie sein Nachfolger Torsten Zugehör am Mittwoch hervorhob, kaufte Selfisch die Immobilie 1560, da war die Altstadt noch im Wachstum.

Betreiber gesucht

Am Vorderhaus selbst, um das es am Mittwoch wie gesagt nicht ging, sollen Ende Dezember nach anderthalb Jahren die Gerüste fallen. Ab dem dritten Obergeschoss habe man dieses Gebäude dann instandgesetzt, so Bolbrock. Wie die der gesamten Anlage ist auch die Zukunft des Vorderhauses, laut Hennen „das mit Sicherheit wertvollste Bürgerhaus in der Stadt“, noch nicht sicher. Nur wenn sich ein Betreiber fürs riesige Erdgeschoss fände, sagt Bolbrock, wäre der Eigentümer seinerseits zu weiteren Investitionen in die Sanierung bereit. Das hört sich nicht nur ein bisschen nach Teufelskreis an, denn Interessenten stehen ganz offenkundig nicht Schlange vor dem Markt 3. Zumal man sich, siehe oben, Gedanken um eine angemessene Nutzung der ersten und zweiten Etagen machen müsste, die wie gesagt mit historisch wertvollen Wappen und Inschriften versehen sind. Wohnen, so Bolbrock, verbietet sich dort.

Stadt und Land wollen sich unterdessen um weitere Fördermittel bemühen, um die „Perle“ (Zugehör) zum Glänzen zu bringen. Konkret will sich Kulturstaatssekretär Schellenberger dazu beim Bund um eine Einstufung des Wittenberger Selfischhauses als national bedeutsames Baudenkmal bemühen. Er will schließlich bald wiederkommen. (mz)

Das zu sichernde Barockgebäude
Das zu sichernde Barockgebäude
Steinmann
Blick ins Innere. Die Ziegel werden wiederverwendet.
Blick ins Innere. Die Ziegel werden wiederverwendet.
Steinmann
Ansicht vom Nachbarhof Markt 4 aus
Ansicht vom Nachbarhof Markt 4 aus
Rzehak