Engagement Seilbahn schwebt über der Gartenbahn in Wittenberg
Wo Wittenbergs Stadtkirche in einem Garten steht. Bastler Jürgen Skalé baut auch Burgen, Weinhänge und ganze Landschaften am Schienenstrang.

Wittenberg - „Ich war jetzt schon öfter hier und entdecke trotzdem jedes Mal wieder etwas Neues“, staunt die Wittenbergerin Elisabeth Heyer. Nur durch Zufall habe sie von der beeindruckenden Freiluft-Modellbahnanlage in Jürgen Skalés Vorgarten erfahren. Nun schaut sie sich diese bereits zum dritten Mal an.
„Im Volksmund wird einfach Garteneisenbahn gesagt“, wirft der Wittenberger Jürgen Skalé ein. Diese Bezeichnung würde dem „Gesamtkunstwerk“, meint Besucherin Elisabeth Heyer, jedoch gar nicht gerecht werden. Denn abgesehen von der Größe und Detailliertheit der Modellbahnanlage ist vor allem zu erwähnen, dass Jürgen Skalé diese, inklusive der vielfältigen Landschaft um die Bahnschienen herum, komplett selbst erbaut hat und seit 1995 an seinem Werk arbeitet - mittlerweile sogar tagtäglich.
Knapp 125 Meter messen die zwei Schienenkreise, auf denen gleich vier Bahnen auf einmal fahren können: eine Straßenbahn, eine Bergbahn und zwei Bahnen auf der Hauptstrecke. Damit es nicht langweilig wird, wechselt Jürgen Skalé immer mal zwischen Personen- und Güterzug hin und her. „Außerdem können noch drei Loks auf dem Abstellgleis stehen“, ergänzt der 70-Jährige. Und eine Seilbahn gibt es natürlich ebenfalls.
Doch die Anzahl der Bahnen ist noch nicht einmal das Beeindruckendste. Entlang der Schienen hat der ehemalige Polizist solch detaillierte Landschaften errichtet, dass Besucher gar nicht wissen, wo sie zuerst hinschauen sollen. Zum Feuerwehreinsatz mit echtem Rauch und einem Signalfunk der Rettungskräfte, mit Bitte um Hubschraubereinsatz? Zur Schmiede, wo beim Schweißen immer wieder blaues Licht aufblitzt? Zur Burg Falkenstein mit Weinhängen, die Skalé in seiner Küche aus 1.200 Perlen zusammengeklebt hat oder doch eher zur Winterlandschaft mit Skifahrern und Wasserfällen?

„Ich bin wirklich den ganzen Tag draußen“, erklärt der 70-Jährige. Denn die Modellbahnanlage ist mit echten Bonsai-Bäumchen und Blumen bepflanzt, weshalb im Sommer dort die meiste Arbeit auf ihn warten würde: „Die Bodendecker wachsen zum Beispiel auch auf Steinen. Deshalb muss ich die Schienen immer wieder freischneiden.“
Auch gießen muss er jeden Tag, damit alles so schön grün bleibt, wie die als Eisenbahn gestaltete Hecke. An den Wochenenden und in den Schulferien bekomme er dann oft Besuch von Großeltern und deren Enkelkindern, die sich vorher telefonisch angemeldet haben: „Das spricht sich schon so langsam herum - manche kommen sogar extra aus Jessen oder Dessau her.“
Das Anmelden sei vor allem aus organisatorischen Gründen wichtig, wie Jürgen Skalé erklärt: „Ich brauche allein 45 Minuten für den Aufbau, da ich alles, was fährt, nachts verschließe.“ Der Aufbau der gesamten Modellbahnanlage im März dauert noch ein wenig länger: fast vier Wochen.

Im Winter baut Skalé innerhalb einer Woche wieder alles ab, da auch die Gebäude keinen Frost vertragen. Diese stellt er nämlich aus Gasbeton her: erst die richtige Größe der Platten überlegen, aussägen und anschließend bemalen. Dafür sei dann genügend Zeit.
Mittlerweile hat der Wittenberger jedoch ein ganz anderes Problem: Platz. „Also so langsam wird es eng“, meint Skalé. Und das nicht nur beim Verstauen, sondern auch an den Bahnschienen. Deshalb geht es ein wenig abseits mit dem Wittenberger Marktplatz mit Rathaus und Stadtkirche weiter: „Da bin ich noch nicht ganz fertig – die Stirnseite mit Turm und die Fenster fehlen noch.“
Sein neuestes Werk ist dies allerdings nicht. „Seit zwei Wochen haben wir hohen Besuch“, lächelt Skalé und deutet auf ein Wander-Szenario. Es ist Bundeskanzlerin Angela Merkel, die beim Wandern erkannt wurde und nun genau so für Fotos bereitstehen muss, wie Skalés Freiluft-Modellbahnanlage für begeisterte Besucher. (mz)
