Lokalgeschichte Schon vor 3.000 Jahren siedelten Menschen in Wittenberg
In loser Folge stellt die MZ Gegenstände aus dem Archiv der Städtischen Sammlungen vor. Heute: Grabbeigaben aus dem Blumenweg.

Wittenberg
Eine waldreiche Gegend, die von Bächen durchzogen ist - die Siedler vor etwa 3.000 Jahren werden die Gegend um das heutige Wittenberg als ideal für den Bau ihrer Behausungen erachtet haben. Irgendwann verschwanden sie wieder. Viel später wird man einige nach der Art ihrer Töpferwaren-Verzierungen als „Lausitzer Kultur“ (14. bis 12.Jahrhundert vor Christus) bezeichnen. Denn Keramiken sind meist das, was bleibt, wenn die Menschen längst fort sind.
Seltene Tontrommel
Was bleibt, sind auch sterbliche Überreste. Im Bereich des heutigen Blumenweges ist es ein Gräberfeld mit etwa 45?Brandgräbern. Nach einigen Funden 1980 konnten bei archäologischen Untersuchungen 1993/94 die unterschiedlichsten Gefäße in verschiedenen Erhaltungszuständen geborgen werden. Ein kleineres Gefäß könnte zur Aufbewahrung von ätherischen Ölen gedient haben, vermutet Andreas Wurda. Ein anderes ist eine Art Sauggefäß mit Schwärzungen, vielleicht zum Rauchen, vielleicht aber auch ein Trinkgefäß für ein Kind. Auch eine Tontrommel, ein wirklich seltenes Stück, ist dabei.
„In Sachsen-Anhalt sind nur für den Bereich um Wittenberg Lausitzer Funde belegt“, sagt der Leiter der Städtischen Sammlungen Wittenberg, der der MZ einige der damals ausgegrabenen, durchaus qualitätsvollen Artefakte zeigt. Seit den 1980er Jahren hatte er in der Gegend intensiv nach Spuren eines Gräberfeldes gesucht. Auch weil ältere Quellen, zum Beispiel aus dem 18. Jahrhundert, zuweilen die Bergung von Urnen in der Rothemark erwähnen. Andreas Charitius beispielsweise schreibt in seiner um 1740 verfassten Historie „Wittenbergische Chronica“: „Es sind noch einige am Leben, welche mehr als einen solchen Thoten-Topf bey der rothen Mark ausgegraben, und die ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe.“
Leider ist von diesen frühen Funden auf dem Areal, das zum Rittergut Rothemark gehörte, nichts in die heutige Zeit überliefert. Doch die Landwirtschaft, die seit knapp hundert Jahren auf der Fläche betrieben wurde, hatte Gutes wie Schlechtes. Sie zerstörte Teile der Gräber, beförderte aber auch weitere Reste ans Tageslicht und trug so zur Entdeckung bei. Es ist beachtlich, was vor knapp 30?Jahren mit Hilfe des Landesamtes für Archäologie in Halle und Unterstützung durch die Untere Denkmalbehörde ans Tageslicht kam.
Unter anderem war ein zirka 3.000 Jahre altes Glockengrab darunter, also ein größeres Gefäß, über das ein zweites wie ein Deckel gestülpt war. „Anthropologische Untersuchungen haben ergeben, dass darin die verbrannten Überreste von sieben Menschen bestattet wurden“, erklärt Andreas Wurda. Vermutlich kamen sie alle zeitgleich bei einem größeren Ereignis zu Tode. „Wir gehen davon aus, dass bei den Grabungen der größte Teil des Gräberfeldes erfasst wurde“, fügt er hinzu.
Frühe Siedlungsspuren
Milchzähne sowie verkohltes Getreide, die in den Urnen gefunden wurden, ermöglichten eine Datierung. Doch was tun mit den Spuren solch einer frühen Besiedlung hiesiger Gegend?
Ginge es bei der Konzipierung einer Ausstellung allein nach der Dauer einer Epoche, ist die Bronzezeit im Städtischen Museum definitiv unterrepräsentiert. Aber die „Drehbuchschreiber“ für die neue Dauerausstellung haben sich für eine sparsame Präsentation der Archäologie entschieden. Allein die Ausgrabungen am Blumenweg wären eine Sonderausstellung wert. Die werde es mit Schaffung eines dauerhaften Depots geben, zeigt sich Andreas Wurda optimistisch. (mz)