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Schleifer-Gebäude in Gräfenhainichen Schleifer-Gebäude in Gräfenhainichen: Geplante Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge verwüstet

Von Alexander Baumbach 17.12.2015, 09:16
Kriminalpolizei und Staatsschutz untersuchten die geplante Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge.
Kriminalpolizei und Staatsschutz untersuchten die geplante Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge. Klitzsch Lizenz

Gräfenhainichen - An den Scheiben des Schleifer-Gebäudes in Gräfenhainichen sind am Donnerstagmorgen kleine Wassertröpfchen kondensiert. Von innen, wohlgemerkt. Es muss unglaublich feucht sein in dem Gebäude, dass demnächst als Gemeinschaftsunterkunft für 80 Flüchtlinge genutzt werden sollte. Unbekannte waren in der Nacht in das ehemalige Bürogebäude eingebrochen - ein kreisrund eingeschlagenes Türglas unter der Feuertreppe zeugt vom Weg, den die Täter nahmen.

In der obersten Etage drehten sie dann nach erstem Augenschein die Wasserhähne auf. Das Wasser bahnte sich seinen Weg in die darunterliegenden Stockwerke - und richtete dabei nach Angaben der Polizei erheblichen Schaden an. Auf der Straße zum Haus prangt eine fremdenfeindliche Parole in großen, schwarzen Buchstaben. Die Polizei erhielt gegen 7.45 Uhr Kenntnis von dem mutmaßlich fremdenfeindlich motivierten Anschlag.

„Es ist die nächsten vier Wochen unbewohnbar“, sagt Landrat Jürgen Dannnenberg (Linke) am Nachmittag.

Landtagsabgeordnete der Linken und Grünen sind entsetzt. Die bisherigen Sanierungsarbeiten seien zunichtegemacht, teilten Henriette Quade und Uwe Loos (beide Linke) mit. Die gesprühte Botschaft „Refugees not welcome“ (Flüchtlinge nicht willkommen) entlarvt die Täter. „So soll ein Klima der Einschüchterung und des Nichtwillkommenseins, der Bedrohung und der Angst geschaffen werden“, sagen die Politiker.

Grünen-Politiker Sebastian Striegel geht noch einen Schritt weiter: „Hier geht die Saat auf, die AfD, NPD und Co. zum Teil mit strategisch angelegten Kampagnen gegen die Unterbringung von Geflüchteten gesät haben. Dieser Art der feigen, hinterhältigen, rückgratlosen Stimmungsmache muss die gesamte Gesellschaft entgegenstehen.“

Geplant war, das sanierte Gebäude ab dem 23. Dezember für die Unterbringung von Flüchtlingen zu nutzen, wie ein Sprecher des Landkreises Wittenberg sagte. Die Kreisverwaltung ist seit dem vergangenen Wochenende in der Kritik, da der Landkreis Wittenberg bei der Beschaffung von geeignetem Wohnraum vor Problemen steht und als einziger in Sachsen-Anhalt Flüchtlinge noch in Notunterkünften unterbringen muss. Am Samstag waren 122 Flüchtlinge aus der Mehrzweckhalle in Holzdorf-Ost nach Naumburg in eine Unterkunft des Landes umgezogen.

Die Mehrzweckhalle in Griebo war am Sonntag aufgrund massiver Proteste von ehrenamtlichen Helfern und Flüchtlingen nicht geräumt worden. Das Innenministerium hat daraufhin am Montag in einem Erlass verfügt, dass die Nutzung bis zum 23. Dezember zu beenden sei und die 115 Syrer aus Griebo in Wohnungen oder Gemeinschaftsunterkünften im Landkreis Wittenberg unterzubringen sind - anderenfalls müssten auch sie in den Burgenlandkreis in eine Landesaufnahmeeinrichtung umziehen. Der Protest gründet vor allem darauf, weil die zuletzt 115 Syrer zum Großteil seit mehr als drei Monaten in Griebo vielfältige Kontakte zu Helfern aufgebaut hätten und bereits in Sprachkursen, Vereinen und im gesellschaftlichen Leben integriert sind. Die Pläne zum Umzug von 80 der Flüchtlinge aus Griebo nach Gräfenhainichen stehen nun auf der Kippe.

Die Kriminalpolizei sicherte am Donnerstag Spuren, der Staatsschutz ermittelt.

Am kommenden Sonnabend haben in Gräfenhainichen selbsternannte "besorgte Bürger" zu einer Demonstration gegen die Asylpolitik im Landkreis Wittenberg aufgerufen. Ein Bündnis für Weltoffenheit hat zu einer Gegenveranstaltung in der Heidestadt eingeladen.

Gräfenhainichens Bürgermeister Enrico Schilling (CDU) verurteilt die üble Tat. "Das ist höchst verwerflich und ein Angriff auf unsere Grundwerte. Mit dem Spruch, den die Täter hinterlassen haben, lassen die selbsternannten "besorgten Bürger" ihre Maske fallen und zeigen, dass sie angetrieben sind von dem Wunsch, Fremdenhass zu verbreiten und Unruhe zu stiften. Das hat nichts mehr mit freier Meinungsäußerung zu tun", erklärte er am Donnerstagmittag gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung.

"Hier ist das Ende der Fahnenstange und der Geduld erreicht. Diese vermeintlich besorgten Bürger, die am Sonnabend ihre Demo in Gräfenhainichen angekündigt haben, verstecken sich gern in der Anonymität. Durch die sozialen Medien kann man aber verfolgen, wer dahinter steckt - und ich verorte diese Menschen ganz klar in der rechten Szene. Bei allen Sorgen, die man politisch haben kann - man kann über alles vernünftig diskutieren. Ich kann nur davor warnen, mit diesen Menschen am Samstag mitzulaufen. Es besteht die Gefahr, dass man selbst dieser Szene zugeordnet wird", erklärte der Lokalpolitiker. (mz)

Das Schleifer-Gebäude in Gräfenhainichen wurde zum Ziel eines Anschlags.
Das Schleifer-Gebäude in Gräfenhainichen wurde zum Ziel eines Anschlags.
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Das Schleifer-Gebäude in Gräfenhainichen wurde zum Ziel eines Anschlags.
Das Schleifer-Gebäude in Gräfenhainichen wurde zum Ziel eines Anschlags.
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