Initiative Rikschas für Senioren in Wittenberg
Zwei Rikschas werden auf die Namen Lotte und Marie getauft. Neun ehrenamtliche Piloten schenken Zeit und ermöglichen Ausflüge.

Wittenberg - „Lotte“ kann ziemlich fix unterwegs sein. Wenn der „Pilot“ kräftig in die Pedale tritt, dann fliegen im Fahrtwind die Haare bei den Passagieren. Ganz zu schweigen von den erstaunten Blicken, die Passanten werfen auf die vorbeirauschende „Lotte“ und ihre Schwester „Marie“.
Bei den beiden handelt es sich um die schicken Rikschas, die der Landesverband der Arbeiterwohlfahrt angeschafft und dem Kreisverband in Wittenberg vor einigen Monaten zur Verfügung gestellt hat. Damals war schon angekündigt worden, dass die Gefährte, von denen eines in Wittenberg und das andere in Kemberg stationiert ist, Namen erhalten sollen. Um Vorschläge wurde gebeten, jetzt steht fest, wie die Rikschas heißen werden: eben Lotte (Wittenberg) und Marie (Kemberg).
Unter dem Motto „Radeln mit Herz“ hat der Awo-Landesverband dank Fördermitteln insgesamt sieben der nicht ganz billigen Fahrrad-Rikschas angeschafft. Die wurden in Kopenhagen gebaut, sind mit Elektromotor, der zusätzlichen Schub gibt, ausgestattet, sie kosteten 7.000 Euro das Stück.
Gedacht sind sie, um älteren Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß sind, Ausflüge zu ermöglichen. Gedacht sind sie auch, um Kontakte herzustellen und ein eher ungewöhnliches Ehrenamt zu ermöglichen. Bei den „Piloten“ handelt es sich um Bürger, die helfen möchten und „Zeit schenken“, wie Geschäftsführerin Corinna Reinecke formuliert.
Bislang sind landesweit 55 „Rikscha-Piloten“ gefunden, in Wittenberg neun. Manche, erläutert Ruben Herm, Referent für Engagementförderung bei der Awo, steuern die Rikschas einmal im Monat, andere sind zwei Mal pro Woche unterwegs. Es sind Schüler, Banker, Rentner, Polizisten. Zudem können nach seinen Worten auch pflegende Angehörige die Fahrräder für Ausfahrten in die Umgebung nutzen. Herm spricht vom „Ehrenamt, das Spaß macht“, und erwähnt Überlegungen, noch weitere Rikschas anzuschaffen.
Wer sich vorstellen kann, „Pilot“ zu werden, darf freilich nicht gleich losbrausen. Zuvor gibt es eine Einweisung samt Probefahrt und „Pilotenschein“. Denn ein bisschen anders als ein gewöhnliches Fahrrad verhält sich eine solche Rikscha schon.
In Wittenberg stoßen die Neuerwerbungen auf einige Resonanz, berichtet die Chefin des Kreisverbandes und verrät, dass sie selbst die Absicht hat, „Pilotin“ zu werden, um nach Feierabend in ihrer Heimatstadt Kemberg ältere Menschen zu kutschieren, die gerne nach draußen möchten. In Kemberg zählt auch Susann Pannier, Mitarbeiterin der Seniorenresidenz, zu den „Piloten“: „Wir haben doch“, sagt sie, „eine schöne Umgebung. Und die Leute freuen sich riesig über die Touren. Oft möchten sie dahin, wo sie mal gelebt haben.“
Susann Pannier ist jetzt für ihr Engagement geehrt worden, ebenso wie Andrea Lademann und Tobias Trabitz, die in Wittenberg die „Lotte“ steuern. Er mache das, um anderen eine Freude zu bereiten, begründet Trabitz seine Beteiligung. „Spaß macht es außerdem, man ist aktiv, an der frischen Luft und es passt gut zu meinem Beruf.“
Der fitte Wittenberger arbeitet als Polizist und gehörte mehrere Jahre lang zur Fahrradstreife des Reviers. Wo er schon überall war mit seinen Passagieren? „Die weiteste Strecke ging bis Gallin. Auch zu den Gewächshäusern in Apollensdorf sind wir gefahren. Oder zur Elbebrücke, weil der alte Herr daran mitgebaut hatte.“ (mz)