Religion Religion: Durch eine tiefe Krise zum christlichen Glauben
WITTENBERG/MZ. - Und fahren muss der Prediger der Landeskirchlichen Gemeinschaft in Wittenberg fast täglich. Neben der Lutherstadt selbst betreut er Gemeinden in Bad Düben und Schwemsal, Radis, Gräfenhainichen, Bergwitz, Annaburg, Apollensdorf und Buko.
Seit August 2009 ist Lesniewitsch mit seiner Familie in Wittenberg, nachdem die Stelle nach dem Weggang von Reinhard Kronberg eine Zeit lang vakant war. Der 44-Jährige war zuvor zwölf Jahre in Oranienburg. "Es standen Umstrukturierungen an, und ich habe mal geschaut, wo ich hingehen könnte." Durch Zufall erfuhr Lesniewitsch von der Stelle in Wittenberg, die sogar noch frei war. "Ich war hier ein halbes Jahr im Predigerseminar und hatte Wittenberg in guter Erinnerung", erzählt der gebürtige Magdeburger, bei dem die Rückkehr nach Sachsen-Anhalt heimische Gefühle weckte.
Etwa hundert Leute betreut der Prediger, der fast täglich unterwegs ist. Während es in Wittenberg in der Bachstraße eigene Räumlichkeiten der Landeskirchlichen Gemeinschaft gibt, treffen sich in den anderen Orten die Gruppen in Gemeinderäumen oder in Hauskreisen. "Es gibt viele Leute, die ehrenamtlich mitarbeiten. Manches wie etwa Bibelstunden findet zeitgleich in den Orten statt, das würde ich sonst gar nicht schaffen", meint Thomas Lesniewitsch, der die Fahrten in die Orte auch mit persönlichen Besuchen verbindet. Aber das sei eben typisch für Landeskirchliche Gemeinschaften, betont er. Bis zu seiner Tätigkeit als Prediger war es ein alles andere als geradliniger Weg. "Ich bin nicht christlich aufgewachsen", schildert Thomas Lesniewitsch seinen Werdegang. Forstwirtschaft hatte er studieren wollen und sich davor, wie es zu DDR-Zeiten üblich war, drei Jahre zur Armee verpflichtet. Doch bereits während der Dienstzeit sei er in eine tiefe Sinnkrise gestürzt. "Ich weiß nicht, wie ich es sonst nennen soll", sucht er nach Worten für diese zutiefst depressive Phase. Seine Großmutter habe ihm damals eine Bibel geschenkt, in der las er regelmäßig.
"So bin ich zum Glauben gekommen", resümiert Lesniewitsch. Das Studium zur Forstwirtschaft, das er begonnen hatte, brach er wieder ab. Er jobbte einige Zeit und ging ans Paulinum in Berlin. Pfarrer wollte er werden. Doch als er in der Nachwendezeit seine Ausbildung beendet hatte, war keine Pfarrstelle frei. So wurde er Prediger.
Dieser hat zwar viele Aufgaben, die auch ein Pfarrer hat. Er kann Amtshandlungen wie Taufen, Trauungen und Beerdigungen durchführen. Er hält Predigten und Bibelstunden. Doch ein Prediger hat kein Kirchengebäude und keinen Friedhof zu betreuen und insgesamt weniger Verwaltungsaufwand. "Rückblickend war es wie Gottes Führung. Ich mache jetzt das, was ich immer machen wollte", sagt Thomas Lesniewitsch.
Wittenberg gefällt ihm, erklärt er. Und dass ein Prediger auch ein ausgefallenes Hobby haben kann, fügte er wie beiläufig hinzu. Dinosaurier würden ihn sehr interessieren, und wann immer Zeit ist, sammele er Fossilien, bemerkte er. Aber das ist jetzt schon wieder eine ganz andere Geschichte.