Fußball Reinsdorfer Fan über Masken und Gesang
Wie ein Reinsdorfer United-Fan trotz Corona zum Endspiel der Europa League kam. Erik Kunert hält sich beim SV Grün-Weiß Wittenberg-Piesteritz fit.

Reinsdorf - Bei Erik Kunert beginnen wie bei vielen anderen Manchester-United-Fans die Gedankenspiele, als der Finaleinzug seiner Reds in der Europa League gegen FC Villarreal feststeht. Der Reinsdorfer ist Vorsitzender des deutschen Supporters Club „United Devils“. Im Theater der Träume, dem Old Trafford, war er schon über 50 Mal - das erste Mal 2005 mit seinem Vater - zu Gast, auch bei zahlreichen internationalen Auswärtsspielen ist er angereist.
Doch diesmal ist alles anders, denn eigentlich hat er die Reise zum Finalspiel schon abgehakt, erzählt Kunert. „Dann hat Polen wie aus dem Nichts 9.500 Zuschauer zugelassen.“ Auch wenn die Hoffnung im Promillebereich anzusiedeln war, gab Kunert nicht auf. Jedes Team konnte 2.000 Tickets an seine Anhänger verteilen, 2.000 gingen an neutrale Zuschauer, der Rest wurde für Sponsoren und Funktionäre zurückgehalten. Kunert bewarb sich über zwei Wege für ein Ticket.
Glück in der zweiten Verlosung
Über die öffentliche Verlosung war der United-Fan erfolglos. Ebenso in der ersten Runde der vereinsinternen Verlosung, wo Dauerkarteninhaber und VIPs bevorzugt wurden. Dann traf ihn das Glück. „In der zweiten Runde der Verlosung haben ein Freund aus dem Fanclub und ich jeweils ein Ticket gekriegt“, erzählt der 32-Jährige. Mit ein Grund sind die Einreiseformalitäten, die es Reisenden aus dem Vereinigten Königreich schwer machen, nach Polen einzureisen.
„Ein PCR-Test ist verpflichtend zur Einreise. Danach wären aber noch zehn Tage Quarantäne vorgesehen, die man durch zwei weitere Tests verkürzen könnte“, berichtet Kunert. „Das geht auch ins Geld. Da sind ziemlich viele Fans natürlich abgeschreckt worden.“
Acht Monate nicht im Stadion
Vor knapp acht Monaten sah Kunert sein letztes Spiel im Stadion. Seine zweite Liebe Tennis Borussia Berlin spielte auswärts bei Lokomotive Leipzig. Nun saß Kunert an einem Dienstagmittag auf dem Weg zu einem europäischen Endspiel - größer kann ein Kontrast kaum sein.
Mit zwei Bekannten aus dem Fanclub passiert Kunert den deutsch-polnischen Schlagbaum problemlos. „Kontrolliert hat uns tatsächlich niemand“, sagt der United-Fan. Mit einer Übernachtung in Bydgoszcz geht es am Mittwochvormittag Richtung Gda?sk, das malerisch an der Ostseeküste liegt. In der mittelalterlichen Innenstadt bietet sich derweil ein Bild, das fast an Normalität erinnert.
Während die Gda?sker Einwohner ihrem gewohnten Tagesablauf nachgehen, gehen die United-Fans dem typisch britischen Hobby nach, welches man von Auswärtsspielen britischer Teams und Nationalmannschaften kennt: städtische Plätze belagern und feiern. Auch mit den Fans von Villarreal lief man sich häufiger über den Weg. „Wir haben einfach gemeinsam eine große Party in der Altstadt gefeiert“, berichtet Kunert.
Am Matchday hieß es für die Fußballfans „Maske auf“. Beim Einlass ins Stadion wurde die Maskenpflicht noch kontrolliert, später war der Ordnungsdienst nicht mehr so interessiert. „Durch das reduzierte Kontingent haben wir im Block eh sehr verteilt gestanden, manchmal mit drei Metern Abstand zum nächsten Grüppchen“, sagt Kunert. In Gesprächen mit United-Fans bestätigt sich Kunerts Vermutung, dass sich viele Engländer von einer Reise haben abschrecken lassen.
Viele, so Kunert, kamen aus Kontinentaleuropa. Dadurch ergab sich eine ungewohnt bunte Mischung im Gästeblock. Was für Kunert aber noch interessanter war: Es durfte Gesang durch das Stadion hallen. „Das wurde bei Spielen in Deutschland immer per Lautsprecherdurchsagen versucht zu unterbinden. Aber mal ehrlich, was ist denn Fußball ohne Gesang?“, lacht Kunert.
Pech im Elfmeter-Thriller
Während sich die Fans an scheinbarer Normalität erfreuen, schwimmt United auf dem Rasen mächtig. Nach 120 Minuten findet die Partie keinen Sieger, mit einem 1:1 geht es ins Elfmeterschießen. Nach zehn erfolgreichen Schützen auf beiden Seiten muss United-Schlussmann David de Gea antreten und verschießt. „Sir Alex Ferguson hätte das sicher mit „Football bloody hell“ kommentiert“, sagt Kunert.
So nimmt Villarreal den Titel im „yellow submarine“ mit nach Andalusien. Obwohl Kunert seine Enttäuschung nicht verbergen kann, ist er froh, die Reise auf sich genommen zu haben. „Wir waren einfach schlecht, und der Underdog hat verdient gewonnen. So ist das im Fußball. Aber die Niederlage konnte uns den Trip nicht vermiesen“, sagt Kunert.
Wann und wo er wieder seine Reds unterstützen kann, steht derweil noch in den Sternen. Auf die Frage, ob ihm die zwei Tage das langvermisste Awayday-Feeling zurückgebracht haben, antwortet er zufrieden mit „Of course!“ Für den Handballer Kunert laufen jetzt die Vorbereitungen auf die neue Saison in der Anhalt-Liga. Er hat den SV Grün-Weiß auch schon in der Mitteldeutschen Oberliga und zuletzt in der Verbandsliga vertreten. (mz)
