Vor 100 Jahren Polizei bittet im Juli 1921 zum Tanz
Spitzbuben werden gefasst und viele Feste gefeiert. Das Wörlitzer Schloss bekommt ein Ölgemälde zurück und Kembergs neue Badeanstalt findet großen Zuspruch.

Wittenberg - Eine breite Parteienlandschaft war nach dem Ersten Weltkrieg auch in Wittenberg entstanden. Das ging nicht immer ohne heftige Debatten ab. Manchmal mündeten unterschiedliche Ansichten sogar in Handgreiflichkeiten, wie die Wittenberger Allgemeine Zeitung am 17. Juli 1921 über Anhänger der Alten sozialdemokratischen Partei und Kommunisten berichtete.
Ausgangspunkt war eine Versammlung der Sozialdemokraten im „Volksgarten“ mit Vortrag und Diskussion. „Als der Redner des Abends, der Redakteur Kuttner-Berlin, das Schlußwort ergreifen wollte, suchten die zahlreich erschienenen Kommunisten ihn daran zu hindern, drängten nach dem Vorstandstisch und wurden dabei tätlich.“
In der nächsten Ausgabe, im ausführlichen Bericht, bemerkte der Kommentator der Zeitung: „Besondere Sympathien dürfte sich die kommunistische Partei durch solche Auftritte nicht errungen haben.“
Mühlenbesitzer erpresst
Eine haarsträubende Erpressung wurde im Juli mit drei Festnahmen beendet. Ziel war der Mühlenbesitzer Gallin in Kropstädt. Einer der Täter, so das Wittenberger Tageblatt am 21. Juli, hatte dem Manne Briefe geschrieben und 5.000 Mark gefordert, die an festgelegter Stelle einem Boten übergeben werden sollten.
„Wenn die Polizei benachrichtigt oder nicht gezahlt würde, sollte G. und seine Familie ums Leben gebracht werden und das Grundstück eingeäschert werden und was dergleichen Drohungen mehr sind“, so das Blatt. Getarnt war die Erpressung durch Briefe eines angeblichen Detektivs, der den Mühlenbesitzer im Vorfeld gewarnt hatte und ihm riet, zum Schein auf die Forderung einzugehen.
Die Polizei nahm nicht nur Spitzbuben fest, sie wusste auch zu feiern. „Die 2. Hundertschaft der Schutzpolizei Wittenberg feierte am Sonnabend in Balzers Konzert-Garten und Sälen ihr 1.Vergnügen, um, wie in der Begrüßungsansprache hervorgehoben wurde, mit der Wittenberger Bürgerschaft in Fühlung zu treten“, berichtete das Tageblatt am 5. Juli. „Nach einem Garten-Konzert wurde durch humoristische Darbietungen im Saale das sehr zahlreich erschienene Publikum bestens unterhalten. Danach wurde noch kräftig das Tanzbein geschwungen und verlief das Fest in vollster Harmonie.“
In Kleinwittenberg stimmten die Gemeindevertreter einer Haussammlung durch den „Arbeitsausschuss zur Errichtung eines Denkmals für die Gefallenen aus der Gemeinde“ zu, so das Tageblatt am 2. Juli. „Das Denkmal wird auf dem Marktplatz aufgestellt werden. Hoffentlich bringt die kommende Haussammlung einen recht guten Erfolg, so daß bald an die Ausführung des Planes gegangen werden kann.“
Aus der Musikszene in Wittenberg berichtete das Tageblatt am 10. Juli: „Der Kirchenchor an der hiesigen Pfarrkirche hat sich durch seine Aufführungen Bachscher Kantaten in diesem und im vergangenen Jahr einen weithin geachteten Namen erworben. Nicht nur die hiesige Presse, auch auswärtige Zeitungen haben das wahrhaft künstlerische Gepräge rückhaltlos anerkannt und gebührend gewürdigt. Ermutigt durch diese Erfolge hat der Kirchenchor den Beschluß gefaßt, in der Folge auch Oratorien und andere große Chorwerke zur Aufführung zu bringen. Er hat, um diese Aufgabe erfüllen zu können und einen strafferen Zusammenhalt seiner Mitglieder zu erzielen, einen Verein gebildet, der den Namen Oratorien- und Kirchenchor führt.“ Leiter ist der Königliche Musikdirektor Straube.
Bilderdiebe gefasst
Eine gute Nachricht für Wörlitz gab es im Juli aus Berlin. Am 7. des Monats verkündete das Tageblatt: „Die beiden Wörlitzer Bilderdiebe, welche kürzlich aus dem Schlosse in Wörlitz nach Einsteigen durch Fenster drei Oelgemälde aus dem Rahmen herausgeschnitten haben, sind am 5. Juli in Berlin festgenommen und in letzter Nacht dem Gerichtsgefängnis in Dessau zugeführt. Auch die drei gestohlenen Bilder sind den Dieben, welche vergeblich versuchten, sie für ½ Million Mark loszuschlagen, abgenommen worden.“
Mit einem Festzug gemeinsam mit anderen Gilden feierte die Schützengilde Gräfenhainichen ihr 175-jähriges Bestehen, worüber das Tageblatt am 14. Juli berichtete. „Auf dem Marktplatze begrüßte der Kommandeur der Gilde, Sachtler, die Erschienenen mit einer Ansprache. Die älteste Nachweisung über das Bestehen einer Schützengilde in Gräfenhainichen stammt vom Jahre 1634.“ 1637, mit der Zerstörung Gräfenhainichens durch die Schweden, hätten Nachweise über die Gilde aufgehört.
Hundert Jahre später habe der damalige König Friedrich August von Polen und Kurfürst von Sachsen die Neugründung angeordnet, „wider die Diebes- und Räuberhorden, Mordbrenner, auch anderen feindlichen Streifereien, eminirten und in das Land zublizirten Mandate“. Als Gründungstag werde der 5. Juli 1746 betrachtet.
Sommerfest mit Fuchsreiten
Die Landwirtschaftliche Ein- und Verkaufsgenossenschaft Griebo feierte ein Sommerfest, worüber die Allgemeine am 14. Juli schrieb. „Bereits in den Morgenstunden galt es, in lustigem Fuchsreiten den Sieg zu erringen.“ Am Nachmittag gab es für die Kinder Belustigungen, für die Erwachsenen zwei Schießstände. „Nach 9 Uhr abends traten die Kinder zum Fackelzuge an, der sich mit klingendem Spiel durchs Dorf bewegte. Mit einem Feuerwerk und Ball erreichte das Fest sein Ende.“
Die „Weihe seiner neuen Fahne“ beging der Turnverein Klitzschena am 2. und 3. Juli mit einem Turnerfest, „an welchem sich auch viele fremde Vereine beteiligen werden. Das Festprogramm ist sehr reichhaltig“, kündigte das Tageblatt die Veranstaltung am 2. Juli an.
Die Allgemeine schrieb dann am 3. Juli über den Brauch in vielen Dörfern, „alljährlich ein sogenanntes Ringreiten oder auch Hutreiten abzuhalten. Diese Feste scheinen jetzt, nachdem sie längere Zeit geruht haben, wieder aufzuleben. Auch in Kemberg hat sich ein neuer Verein aufgetan, welcher den Reitsport pflegen will. Am Sonntag wird derselbe auf dem Schützenplatz ein Ringstech-Reiten veranstalten.“
Großen Zuspruch fand die neu errichtete städtische Badeanstalt in Kemberg. „An den ersten 7 Badetagen wurden 440 Badekarten an Erwachsene, 298 an Kinder und 49 Gondelkarten ausgegeben“, so das Tageblatt am 17. Juli. Aus Coswig vermeldeten die Zeitungen am 6. Juli: „Wegen der vielen Masernerkrankungen in unserer Stadt hat sich jetzt der Magistrat veranlaßt gesehen, die Kleinkinderschule zu schließen.“ (mz)