Paul Gerhardt Stift Wittenberg Paul Gerhardt Stift Wittenberg: Schwerstkranke im Abseits?

Wittenberg - Die Mitarbeiter des evangelischen Krankenhauses Paul Gerhardt Stift müssen eine bittere Pille schlucken: Die Verordnung kommt per Mail. Die Geschäftsführung kündigt das häppchenweise Schließen der Station 42 an. Demnach werde die Sommerschließzeit genutzt, „um eine dauerhafte Integration“ der Abteilung für Palliativmedizin und Onkologie „in die Strukturen des Haupthauses vorzubereiten und somit die Planbettenzahl um 25 Betten zu reduzieren“.
Die Einsparungen betreffen das Haupthaus, erklärt Dr. Werner Weinholt am Mittwoch auf MZ-Anfrage. Der leitende Theologe der Paul Gerhardt Diakonie betont, dass die acht Palliativbetten innerhalb der Inneren Medizin nicht zur Disposition stehen.
Für die Errichtung des stationären Hospizes in Wittenberg sind 750.000 Euro veranschlagt. Davon müssen 250.000 Euro aus Spenden finanziert werden. 1007,64 Euro wurden am Sonnabend eingenommen bei einem Benefizkonzert, das der Gospelchor der Schlosskirche ebendort zugunsten des Hospiz-Projektes gegeben hatte. Chorleiter Thomas Herzer zeigt sich gegenüber der MZ beeindruckt von der Höhe und betont: „Wenn man den Leuten konkret sagt, wofür ihr Geld ist, dann spenden sie auch gern.“ Zum Erlös aus dem Benefizkonzert kommen Herzer zufolge weitere 1000 Euro aus dem Haushalt der Schlosskirchengemeinde. Auf der Website der Paul Gerhardt Diakonie wurde der Spendenstand am Mittwoch auf 55.640 Euro beziffert. Für das Projekt haben die Initiatoren grüne Spendendosen mit einer Sonnenblume entwickelt. Diese finden sich an unterschiedlichen Stellen in Stadt und Kreis. (mz/cni)
Die „Integration“ sei aber keine ernstzunehmende Alternative, sagt ein Mediziner, der ungenannt bleiben will. Nach seinen Angaben seien „hochmotivierte sehr gut ausgebildete und engagiert Pflegende und Therapeuten demoralisiert, weil sie wissen, dass die Zerstörung etablierter Strukturen einen wichtigen Schwerpunkt ihrer diakonischen Arbeit erschwert“. Die Auswirkung sei verheerend.
Die Entscheidung hat das Krankenhausdirektorium am 3. Juni in Berlin gefällt. „Die Mitarbeiter werden zeitweise in anderen Bereichen eingesetzt“, heißt es in dem Schreiben. Das ist nicht unbedingt die richtige Medizin zur Beruhigung der Belegschaft. „Wir bilden uns dazu gerade eine Meinung“, sagt Steffen Podstawa, Chef der Mitarbeiter-Vertretung.
„Derzeit laufen die Gespräche mit den Mitarbeitenden. Und natürlich ist auch unsere Mitarbeitervertretung mit im Boot - hier wird es in Kürze ebenfalls Gespräche zu noch offenen Fragen geben“, wird der Geschäftsführer des Krankenhauses, Dr. Henning Rosenberg, in einer Pressemitteilung vom Stift am Mittwoch zitiert. Das speziell ausgebildete Personal werde - soweit das möglich sei - als Einheit im Team weiter zusammenarbeiten, erklärt der Chef, der für die MZ direkt nicht zu sprechen ist.
Von der Entscheidung betroffen sind Patienten, die nicht mehr therapierbar sind. Schwerstkranke drohen ins Abseits zu geraten. Seit 2002 werden sie im Haus 4 des Stifts versorgt. „Das ist für uns Hausärzte eine wichtige Entlastung“, sagt Peter-Hendrik Herrmann. Nach seiner Einschätzung habe sich die Station 42 sehr gut etabliert. Die Einrichtung liege voll im Trend, so der Diplommediziner.
„Die geplante Schließung ist nicht in Ordnung“, erklärt der Zahnaer. Und er steht mit seiner Kritik nicht allein. „Ich überlege mir noch, eine Petition aufzusetzen“, so Dr. Regine Lange. „Die Entscheidung ist sehr unglücklich. Die Versorgung der Menschen in der Station 42 ist hervorragend“, so die Palliativmedizinerin. „Diese wichtige Spezialversorgung für Schwerstkranke wird es auch in Zukunft geben - die weiterhin bestehende Einheit wird in eine Station im Haus 1 integriert“, so Rosenberg, der „von kurzen Wegen für Patienten, Angehörige und Mitarbeiter“ berichten lässt.
„Aufgrund meiner Erfahrungen ist diese Erklärung keine Beruhigung“, sagt Dr. Lange. Tatsächlich wird im März noch ein anderes Konzept vorgestellt. Im Haus vier soll ein stationäres Hospiz mit acht Einzelzimmern entstehen. Dabei sollten die Onkologie - hier werden Krebspatienten behandelt - und die Station für Palliativmedizin sowie das Hospiz eine Einheit bilden. Dafür werden Spenden benötigt.
Jetzt ist das Vorhaben ein Grund für die Schließung. „Spätestens mit Beginn der Umbauarbeiten hätten wir uns aufgrund der Lärmbelästigung eine Lösung überlegen müssen. Dem haben wir mit der schon jetzt angedachten Integration bereits vorgegriffen - und sowohl Patienten wie auch Mitarbeitende werden von den Bauarbeiten so nicht beeinträchtigt“, lässt Rosenberg erklären. (mz)