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Paul Gerhardt Stift Wittenberg Paul Gerhardt Stift Wittenberg: Auf Wiedersehen Helmut Zühlke?

Von Corinna Nitz 30.03.2016, 16:30
22 Jahre war Helmut Zühlke Chef der Chirurgischen Klinik am Paul Gerhardt Stift. Jetzt geht der gebürtige Borkumer in den Ruhestand.
22 Jahre war Helmut Zühlke Chef der Chirurgischen Klinik am Paul Gerhardt Stift. Jetzt geht der gebürtige Borkumer in den Ruhestand. Baumbach

Wittenberg - „Pure Energie“, „chirurgische Kanone“, „ein charismatischer Typ mit Ecken und Kanten - im positiven Sinne“. All dies sind Beschreibungen, die in jüngerer Zeit zu hören oder zu lesen waren und die alle auf einen Mann gemünzt sind: Helmut Zühlke. Ostersonnabend hat der Medizinprofessor in großer Runde seinen 68. Geburtstag gefeiert, das Datum markierte auch eine Zäsur. Denn Zühlke, der seit 1994 Chefarzt der Chirurgie im evangelischen Krankenhaus Paul Gerhardt Stift in Wittenberg ist, geht in den Ruhestand: Am Donnerstag ist sein letzter Arbeitstag.

Seine letzte Operation hat der gebürtige Borkumer am Mittwoch vergangener Woche absolviert. Eine Leberteilresektion, auch ein Stück Darm musste bei dem Patienten entfernt werden. Zweieinhalb Stunden hat der Eingriff gedauert, den Zühlke mit seinem Nachfolger im Amt, Martin Stockmann, durchführte. „Ich wollte das so“, es sei auch „eine Form der Übergabe“, und „es ist ein Zeichen, dass es weiter geht“, sagt Zühlke eine Woche später, da sitzt er noch einmal in seinem Dienstzimmer.

Martin Stockmann folgt Helmut Zühlke als Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie im Paul Gerhardt Stift in Wittenberg. Stockmann studierte von 1989 bis 1996 an der Freien Universität Berlin. Es folgte ein einjähriges Forschungsstipendium, 1997 arbeitete er als Assistenzarzt am Universitätsklinikum Benjamin Franklin in Berlin, 1998 promovierte er. Von 1999 bis jetzt war er wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie an der Charité in Berlin. In dieser Zeit erwarb er 2005 den Facharzt für Chirurgie, vier Jahre später den Facharzt für Viszeralchirurgie, seit 2015 ist er zudem Facharzt für Gefäßchirurgie. 2009 habilitierte er sich als Hochschullehrer der Charité und ist seit diesem Jahr außerplanmäßiger Professor. Seit 2011 war er als Oberarzt in der Klinik tätig. Zu seinen chirurgischen Schwerpunkten zählen u. a. onkologische Viszeralchirurgie, endokrine Chirurgie, minimalinvasive Chirurgie sowie die Gefäßchirurgie.

Um ihn herum stapeln sich Umzugskartons, die das Ende seiner Ägide nun äußerlich ebenso sichtbar machen wie jene Leerstellen an den Wänden, an denen noch bis vor kurzem Bilder hingen. Wenn Zühlke, der 1994 aus Koblenz kam, wo er Chefarzt der Chirurgie im Städtischen Krankenhaus war, seine 22 Wittenberger Jahre Revue passieren lässt, ist viel vom medizinischen Fortschritt in dieser Zeit die Rede. Die Einführung laparoskopischer Techniken etwa oder der interventionellen Radiologie seien Meilensteine gewesen. Und der Fortschritt geht ja weiter.

„Einschneidende“ Veränderungen

Es ist aber auch von strukturellen Veränderungen in der Branche die Rede. Als „einschneidend“ bezeichnet Zühlke die Einführung der diagnosebezogenen Fallgruppen, kurz DRG, zur pauschalierten Abrechnung. Und „eindrucksvoll“ sei es gewesen zu beobachten, „dass sich Vater Staat aus der Finanzierung der Krankenhäuser zurückzog und das den Trägern überlassen hat“. Inzwischen sei auch nicht mehr vom Gesundheitswesen die Rede, sondern von „Gesundheitswirtschaft“. Dass in Kliniken „Managementdenken“ eingesetzt habe, welches zunehmend „das dem Menschen zugewandte Denken“ verdränge, hatte Zühlke vor einiger Zeit in einem Vortrag kritisiert. Und auch jetzt zitiert er den Medizinethiker Giovanni Maio, der festgestellt habe, die Ökonomie diene nicht mehr der Medizin, sondern die Medizin diene der Ökonomie. Zühlke spricht auch eine „Personalverknappung“ an, durch die ein Patient „schnell spürt, dass es keine Zeit mehr für ihn gibt“. Das jedoch sei ein allgemeines Problem, welches eben vor konfessionellen Häusern nicht halt mache.

Und dennoch: Zühlke wirkt nicht so, als würde er aus heutiger Sicht wesentliche Dinge anders machen. Die Bilanz am Eintritt in den Ruhestand fällt „überwiegend positiv“ aus. Er habe es nie bereut, nach Wittenberg gekommen zu sein und von Anfang an sei ihm „vollkommen klar“ gewesen, auch am Ort des Krankenhauses zu wohnen. Neben seiner Arbeit im Stift hat Zühlke maßgeblich auch Wittenberg als Tagungsort mitentwickelt, die Wittenberger Konferenz evangelischer Krankenhäuser etwa ist längst eine Marke, die er hier eingeführt hat. Zühlke war zudem Doktorvater für etliche Kollegen in der Stadt ebenso wie in Berlin.

Kooperation geplant

Dort, in Berlin, hat vor Jahr und Tag der Direktor und Chefarzt der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie am Herzzentrum Coswig, Harald Hausmann, Vorlesungen von Zühlke gehört. Und von Hausmann stammt das Zitat, dass mit Zühlke eine „chirurgische Kanone“ das Stift verlässt. Im damaligen Westberlin sei dieser einer von „drei“ Chirurgen gewesen, „die alles operieren konnten“. Und auch in der Wittenberger Region habe Zühlke sein Fachgebiet geprägt.

Eine Kooperation mit Zühlke soll Hausmann zufolge im Herzzentrum fortgesetzt werden. Zwar sei „die Tinte noch nicht trocken“, doch werde über eine gefäßchirurgische Sprechstunde verhandelt. Zühlke selbst sagt im MZ-Gespräch, er wolle jetzt erst mal eine Pause machen, aber er habe vor, „noch ein bisschen weiter zu arbeiten“. Na dann: Auf Wiedersehen! (mz)