Paul Gerhardt Diakonie-Akademie Paul Gerhardt Diakonie-Akademie: Heilung auf Evangelisch

Wittenberg - Wie man ein einen Hüftknochen ordentlich verschraubt, wird man hier nicht erlernen. Im Bugenhagenhaus sind sie vielmehr für den geistigen Überbau zuständig, der in diesem Fall qua Selbstverständnis auch ein geistlicher ist. „Je pluraler die Gesellschaft wird, desto stärker fragt man: Was ist das Evangelische?“ Am einschlägigen Gesundheitswesen, an der Diakonie, am Paul Gerhardt Stift, dem Evangelischen Wittenberger Krankenhaus.
Werner Weinholt ist Theologischer Leiter der Paul Gerhardt Diakonie und er ist, seit vier Jahren, eben auch der Direktor der „Paul Gerhardt Diakonie-Akademie“ im Bugenhagenhaus am Wittenberger Kirchplatz, die im kommenden Jahr auf ein Jahrzehnt ihrer Arbeit in der Lutherstadt zurückblicken wird.
Zuständig für alle
„Ein Erfolgsmodell“, konstatiert Weinholt schon mal vorab und lässt auch Zahlen sprechen. Das Lehrinstitut in Trägerschaft der Paul Gerhardt Stiftung ist mitnichten lediglich für die Fort- und Weiterbildung der Ärzte und Schwestern, der Pfleger und Verwaltungsleute des Wittenberger Krankenhauses zuständig, sondern für den gesamten christlichen Gesundheitskonzern Paul Gerhardt Diakonie mit seinen Hauptstandorten in Berlin und eben Wittenberg.
War man 2009 mit 16 Seminaren und nicht viel mehr als 100 Teilnehmern gestartet, so wurden 2017 bereits knapp 200 Seminare angeboten, an denen rund 2 550 Menschen teilnahmen. Rein rechnerisch, so Weinholt, hat demnach die Hälfte aller Mitarbeiter einmal im Jahr eine Akademie-Veranstaltung durchlaufen - dass diese Rechnung inzwischen nicht mehr aufgeht, hat mit dem Wachstum der Paul Gerhardt Diakonie selbst zu tun, deren Mitarbeiterzahl nach dem Zusammengehen mit einem anderen großen evangelischen Unternehmen in Berlin auf nun 8.600 angestiegen ist.
Mehr Personal
Die Zahl der Akademie-Mitarbeiter ist auf mittlerweile sieben angewachsen, neben dem Berliner Weinholt allesamt Frauen, gut die Hälfte von ihnen wohnt auch in Wittenberg. Noch in diesem Jahr, so der Akademie-Direktor, soll das Personal aufgestockt werden.
Denn zu tun gibt es für die Akademie offenbar genug, wenn es darum geht, im Zeichen des barmherzigen Samariters die jeweils passenden Antworten zu finden auf die Frage: „Wie begegnen wir den Patienten?“ Und auch: Wie gehen wir miteinander um? Unter Kollegen, mit Untergebenen. Konfessionell gebunden, also Kirchenmitglied, sind den Angaben zufolge 40 Prozent der Mitarbeiter der Paul Gerhardt Diakonie. Und ein „Pflichtfortbildungskatalog“ für Führungskräfte inzwischen mehr als eine Idee.
Handfest und vielfältig sind die Themen im Akademie-Programm, es geht zum Beispiel um Konfliktbewältigung und die Vermeidung von Burn-Out, um Kultursensibilität und die ethisch korrekte Entscheidung im Umgang mit Patientenverfügungen. Und ja, um Hygiene, EDV und Brandschutz geht es auch. Geschöpft wird aus einem Pool von mehr als 100 Dozenten.
Acht Prozent Externe
Inzwischen sei die Akademie verstärkt auch extern tätig, berichtet Weinholt, und nennt als Beispiel zwei kleinere diakonische Einrichtungen aus Mitteldeutschland, denen man ebenfalls helfe, ihr evangelisches Profil zu schärfen. (Dass diesbezüglich sogar schon einmal eine Kirchengemeinde angefragt haben soll, darf man sicher als kuriose Randnotiz werten.) Gegenwärtig liege der Anteil der Teilnehmer, die nicht Mitarbeiter der Paul Gerhardt Diakonie sind, bei acht Prozent, bis zu 20 Prozent, so Weinholt, wären möglich.
Da immerhin etwa die Hälfte aller Veranstaltungen der Paul Gerhardt Diakonie-Akademie auch in der Lutherstadt stattfindet - die andere Hälfte an den verschiedenen Häusern in Berlin - ist die Akademie laut Wittenbergs Superintendent Christian Beuchel, der ihr und der Stiftung in leitender Position verbunden ist, auch ein nicht zu vernachlässigender (nicht nur Wirtschafts-) Faktor in der Bildungslandschaft der bekanntlich universitätslosen Stadt.
Dass die Akademie Mitglied im Wittenberger Bildungszusammenschluss „Campus“ ist, versteht sich, dass sie sich um eine Zusammenarbeit mit dem Wittenberg-Zentrum für globale Ethik bemüht, passt dazu. „Ich kann mir vorstellen, dass wir gemeinsame Seminare machen“, so Pfarrer Weinholt.
Um die Lutherstadt, so Beuchel, kommen Mitarbeiter der Paul Gerhardt Diakonie ohnehin nicht herum - dort findet immer auch der Einführungstag für alle Neuen statt, die sich später dann womöglich in einem der Seminare wiedertreffen, die damit, wie Weinholt unterstreicht, auch der internen Vernetzung dienen.
Gegen den Fachkräftemangel
Die Unternehmensakademie versteht sich, kaum überraschend, auch als Instrument gegen Fachkräftemangel, betonen Weinholt und Beuchel übereinstimmend. Ziel sei, zum Beispiel, „dass der Oberarzt bei uns Chefarzt wird - und nicht woanders“, so Weinholt. Die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht. „Wir machen Exzellenzförderung“, nimmt Weinholt für die Akademie in Anspruch, auch wenn das vielleicht „ein bisschen verrucht“ klingt. (mz)