Markt Neun Markt Neun: "Tante Emma" wird kein neues "Pächterhaus"

Wittenberg - Die Armada der Baufahrzeuge ist abgezogen, es stehen wieder Tische und Stühle vor dem Haus, wo zuvor über zwei Jahrzehnte „Tante Emma“ einlud. Jetzt geht man, in neuer Sachlichkeit, in den „Markt Neun“. Beziehungsweise zu Katrin Mädel.
Die Gastronomin aus Dessau, die dort Ende 2017 ihr renommiertes Lokal „Pächterhaus“ schloss, um etwas Neues zu beginnen, ist die neue Chefin des Restaurants in zentralster Wittenberger Lage.
Trotzdem gemütlich
Das Plüschige ist weg. Wo die Vorgängerin auf eine imaginäre Historie setzte, um rustikale Gemütlichkeit zu erzeugen, ist Sachlichkeit eingezogen, klare Formen und Farben, wobei hie und da Stickerei vortäuschende Tapeten und Bistrostühle dann doch für das notwendige Maß an Gemütlichkeit sorgen, die viele wohl in einer historischen Stadt erwarten.
„Geradlinigkeit“ nimmt Mädel, als Wirtin von „Markt neun“ formal Geschäftsführerin einer gleichnamigen GmbH, auch für sich selbst in Anspruch. „Qualität“ möchte sie bieten, aber für Jedermann. „Markt neun“ sei nicht das „Pächterhaus“, weist die Mittfünfzigerin Zuschreibungen zurück, die es sofort gegeben hatte, kaum dass sie im Spätherbst 2017 gerüchteweise als Nachfolgerin von „Tante Emma“ gehandelt wurde.
Kein Feinschmecker- oder Gourmet-Restaurant also, wie es das Dessauer „Pächterhaus“ war, das sie fast zwei Jahrzehnte geführt hatte, zunächst gemeinsam mit ihrem Mann, die letzten Jahre nach dessen Tod dann solo. Ganz im Gegenteil habe sie sich mit dem Neustart in Wittenberg vom „Druck der Gourmetführer“ befreien wollen, was man zuletzt ja öfter hörte etwa von Sterneköchen.
Die regelmäßigen Punkte im Gault-Milleau, die sich die Mädels in Dessau erkochten, würdigten freilich das konstante Preis-Leistungs-Verhältnis - und das soll auch in Katrin Mädels „Marktrestaurant“, wie sie „Markt Neun“ nennt, stimmen.
Die Touristen haben das neue Lokal, das am 12. Mai ohne Ankündigung aufmachte, um, wie es Mädel formuliert, ohne großen Stress für sie und ihre Mitarbeiter starten zu können, schon für sich entdeckt; an den reichlichen Sonnentagen, die es danach noch gab, herrschte schon Betrieb am Freisitz des an der Fassade noch namenlosen Hauses.
Es soll aber kein Touristenlokal sein. „Ich möchte die Wittenberger erreichen“, sagt Mädel, und das muss sie natürlich auch, denn die Saison ist bekanntlich nicht ganzjährig in der Lutherstadt. Dass sie aus dem „Markt Neun“ über kurz oder lang eine „Institution“ machen möchte, für die man auch extra nach Wittenberg kommt - diesen überregionalen Anspruch verhehlt sie dabei ebenfalls nicht.
Und wie nennt man das jetzt so, was im „Markt Neun“ auf die Teller kommt? „In einem Marktrestaurant gibt es alles - außer Frühstück.“ Vielleicht so, formuliert Mädel nach mehreren Anläufen, in denen sie zwiespältige Begriffe wie „Hausmannskost“ probiert und rasch wieder beiseite gelegt hat: „Bodenständige Frischküche“. Hm. Weil sie mit diesem Etikett aber selbst noch nicht ganz zufrieden ist, holt sie rasch den Küchenchef.
„Frisch kochen“, sagt der, „nicht mit Tamtam, sondern ehrlich“. Und ja, das werde auch „Hausmannskost“ sein - für die gibt es, neben „Fleisch“ und „Fisch“, eine Extra-Rubrik in der Speisekarte - aber eben gleichermaßen „Innovatives“,
Zander mit dreierlei Linsengemüse etwa, nennt Christian Hofbauer ein Beispiel aus der angenehm übersichtlichen Speisekarte. Ohnehin werde die Karte im Jahreslauf wechseln, so Mädel, nicht nur saisonal, sondern um eben immer mal wieder etwas Neues zu bieten.
Kein Personalproblem
Wie der Bad Schmiedeberger Hofbauer, der zuletzt im Waldresort Gröbern kochte, stammt das Personal Mädel zufolge aus der Region. Probleme, Mitarbeiter zu finden, habe sie überhaupt nicht gehabt, berichtet die Gastronomin. Im Gegenteil habe der Reiz des Neuen auch Wittenberger zum Jobwechsel bewogen. Sie selbst wolle übrigens „auf jeden Fall“ von Dessau nach Wittenberg umziehen. Die Stadt gefalle ihr. (mz)