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Lucas Cranach in Wittenberg Lucas Cranach in Wittenberg: Ausstellung im städtischen Museum

Von KARINA BLÜTHGEN 08.12.2015, 20:35
Monika Lücke erläutert eine erst kürzlich entdeckte historische Karte zum Röhrwasser.
Monika Lücke erläutert eine erst kürzlich entdeckte historische Karte zum Röhrwasser. thomas KLITZSCH Lizenz

WITTENBERG - Ein Wagnis nennt es Monika Lücke, dem Publikum so kurz nach der Landesausstellung erneut eine Schau zu Cranach dem Jüngeren zu präsentieren. Doch was sich im Wittenberger Zeughaus, dem städtischen Museum, seit Montag offenbart, ist Lucas Cranach in seinem Wirken als Bürger und Geschäftsmann der Stadt. „Er war einer von uns“, stellt Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) denn auch den völlig anderen Ansatz in den Vordergrund. Und stellt Fragen, auf die die Schau versucht, eine Antwort zu geben: „Was bedeutet er für uns? Wie hat er die Welt bestrahlt und wie in unsere Stadt gestrahlt?“

Jahrelange Forschung

Wie vielfältig dieses „Strahlen“ war, in wie vielen Bereichen Cranach Erfolg hatte, kann der Besucher der Schau seit Montag erahnen. Dass er Ratsherr und Bürgermeister war, ein Apothekenprivileg besaß und Wein ausschenken durfte, ist zumeist bekannt. Was das jedoch im einzelnen bedeutete, welcher Art seine Geschäfte waren, haben Monika Lücke und Ehemann Dietrich durch jahrelange Forschungsarbeit belegen können.

Ebenso erstaunlich wie der große Bestand an Archivalien zur Erforschung sind einmalige Sachzeugnisse, die die Ausstellung bereichern. So gibt es eine Tür aus dem Haus Schlossstraße 1 zu sehen, die aus dem 16. Jahrhundert stammt und die wohl schon von den Cranachs benutzt worden ist. Dazu kommt ein Apothekergefäß mit Salbenresten, das ebenfalls auf diesem Grundstück gefunden wurde. Eine eiserne Schlange, Teil einer Wetterfahne (der allerdings die Flügel fehlen) stammt von einem Cranachschen Haus in der Mittelstraße.

Auffallend ist eine Geldtruhe mit vier Fächern darin, die so genannte Schosstruhe, in der die Steuereinnahmen der vier Stadtviertel verwahrt wurden. Einzigartig sind die gezeigten originalen Schriften. Von 1504 stammen die für die Stadt Wittenberg erlassenen Statuten. Auf eine Hinrichtung 1540 verweist eine Kämmereirechnung, in der ein Fass Bier für die Zimmerleute bezahlt wurde, die vier Säulen zu errichten hatten. An diesen wurden vier angebliche Weidenvergifter vom Leben zum Tode befördert, das grausige Schauspiel hielt Cranach der Jüngere auf einem Holzschnitt fest.

Geöffnet ist die Ausstellung „Lucas Cranach der Jüngere - Wittenberger Bürger, Ratsherr und Geschäftsmann“ im Zeughaus, Juristenstraße 16a, Dienstag bis Sonntag zwischen 9 und 17 Uhr.

16 000 Seiten Kämmereirechnungen, 15 000 Seiten Vertrags-, Gerichts- und Handelsbücher, dazu Briefe und andere Quellen wurden durchforstet. „Und es gibt keine Garantie, dass wir fertig sind“, sagt die Historikerin Monika Lücke, die Kuratorin der Ausstellung ist. Zumindest die Neugier war groß, vor allem bei Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), der bei einem ersten Rundgang viele Fragen stellte. Unter anderem zum damaligen Bierpreis in der Stadt und zur Umsetzung der Pestordnung. Mitunter entspann sich ein munteres Gespräch zwischen ihm, Monika Lücke und Andreas Wurda, dem Leiter der Städtischen Sammlungen. Wo so viele Leute im Stoff stehen, dauert eine auf 20 Minuten angesetzte Führung locker über eine Stunde.

Allein die nun ausgestellte Genealogie der Cranachschen Familie wartet mit zahlreichen neuen Fakten auf. Heiratsdaten etwa wurden anhand der Faktenlage neu bewertet. „Wir haben zudem Augustin Cranach als Jurist und Stadtrichter vermerkt, nicht aber als Maler“, weist die Historikerin auf einige Neuerungen hin. „Es steht zur Diskussion, wir sind offen dafür“, wirbt sie für weitere Überprüfungen durch Fachkollegen.

Ein neuer Plan des auch durch Cranach finanzierten Röhrwassers, eine Karte über den vor allem durch Cranach den Jüngeren erweiterten Grundbesitz sowie zahlreiche Sammlungsobjekte (siehe „Funde aus dem...“) ergänzen die Texte, die unter anderem die Arbeit eines Ratsherrn und Apothekers verdeutlichen und zudem Cranach als Bergwerksbesitzer und Vertragspartner vorstellen.

Humaner Kreditgeber

Der Mensch Lucas Cranach der Jüngere rückt in dieser Schau viel stärker in den Vordergrund. „Er ging mit seinen Kreditnehmern viel humaner um als sein Vater“, verweist Monika Lücke auf die Überlassung von 40 Scheffel Roggen an die Gemeinde Selbitz, die nach einem Unwetter in Not geraten war. Die Rückzahlung musste erst nach der nächsten Ernte erfolgen - und das ohne Zinsen.

Umrahmt von Musik der Wittenberger Hofkapelle ist es eine kurzweilige Eröffnung mit großem Andrang Neugieriger. Einige künstlerisch tätige syrische Flüchtlinge sind auch dabei. Reiner Haseloff betont: „Wir dürfen in dieser Stadt nicht nachlassen zu forschen.“ Er habe die Hoffnung, „dass noch viel gefunden wird“. Oberbürgermeister Zugehör ist sich sicher, dass auch diese Ausstellung viele Besucher erreicht. „Hier können wir Bildung vermitteln, für Identität sorgen in dieser Stadt. Wir können zeigen, dass Geschichte lebendig sein kann.“ Geplant sind, sowohl in der Schriftenreihe der Städtischen Sammlungen als auch der Stiftung Luthergedenkstätten je einen Band zu den neuen Forschungen herauszubringen. (mz)