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Landgericht  Landgericht : Keine Gastro-Harmonie

Von Ilka Hillger 06.02.2018, 19:15
Das Landgericht in Dessau.
Das Landgericht in Dessau. Lutz Sebastian

Dessau/Wittenberg - „Geschichten mit mehreren Leuten in einer gastronomischen Einrichtung ergeben niemals ein geschlossenes, harmonisches Gesamtbild, wie man es sich wünschen würde“, ist das Fazit von Thomas Knief.

Auf ein harmonisches Gesamtbild konnte der Vorsitzende Richter am Dessauer Landgericht in dieser Berufungsverhandlung tatsächlich nicht hoffen. Dafür gingen die Aussagen von zwei Zeugengruppen zu sehr auseinander. Auf das Geschehen im Wittenberger Café Fritz an einem Septemberabend 2016 hatte jeder seinen ganz eigenen Blick und die dazugehörigen Erinnerungen nebst den der Zeit geschuldeten Lücken in selbiger.

So lässt sich am Ende von zwei Verhandlungstagen in der Urteilsbegründung sagen, dass der Angeklagte Tobias K. nach Ansicht von Richter und Schöffen doch nicht nur das reine Opfer ist, wie es die Freundin darstellte.

Angeklagter will Freispruch

Tobias K. wurde im vergangenen Juli vom Amtsgericht Wittenberg wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. In zweiter Instanz zielte seine Berufung auf einen Freispruch, auch die Staatsanwaltschaft war in Berufung gegangen. Beide Berufungen sind nun vom Landgericht zurückgewiesen worden.

K. soll in der Tatnacht eine Schlägerei auf dem Freisitz des Wittenberger Cafés provoziert haben, an deren Ende er im Krankenhaus landete (die MZ berichtete). Am zweiten Verhandlungstag in der vergangenen Woche war vor allem zu klären, wer den ersten Schlag setzte. „Allein wer angefangen hat, ist von strafrechtlicher Bedeutung“, brachte es der Richter am Ende auf den Punkt. Dies festzustellen aber war ein stundenlanger Weg, in dem nahezu alle Beteiligten des Abends vor Gericht berichten mussten.

Nahezu deckungsgleich erinnerten sich K.s Verlobte und deren Freundin an den heimischen Spieleabend, der derart aus dem Ruder lief. Den Anlass dafür lieferte Mandy H., die nach einem Streit mit dem Angeklagten auf die Straße lief und ihren Frust an einer Baustellenabsperrung abreagierte. Das wiederum rief eine Gruppe von Café-Besuchern auf den Plan, die sie zur Ordnung rief. Der Angeklagte K. kam hinzu.

Während die Verlobte und deren Freundin nun sagen, K. sei zuerst attackiert worden und dann habe es auch Angriffe gegen sie gegeben, berichtete die andere Zeugengruppe davon, dass der 28-Jährige zuschlug und man sich in der Folge des Gerangels gewehrt habe.

Unterschiede in Details

Ist an der Grundkonstellation und den Ausgang von Streit und Schlägerei nichts zu rütteln, so liegen die Unterschiede vor allem in den Details. Wer aber nun wie viele Schläge setzte und welcher davon den Angeklagten in die kurze Ohnmacht schickte, sei am Ende, so der Richter, irrelevant. Er und die Schöffen schlussfolgerten vor allem aus der angespannten Situation des Angeklagten mit seiner Freundin vor der Schlägerei, dass der erste Schlag zu ihm passen würde. „Er war sauer und stand unter Strom“, so Richter Knief.

Die Zeugen aus der Café-Gruppe hätten hingegen keinen Anlass gehabt, die Schlägerei zu beginnen. Allerdings war es auch niemand aus dieser Gruppe, der Polizei und Krankenwagen rief. Dies erledigte die Bekannte des Angeklagten, die dafür eine Passantin um deren Handy bat. Die Verlobte Mandy H. und deren Freundin stellten im Nachgang des Geschehens jedoch auch keine Strafanzeige, obwohl sie damals wie heute erklärten, von einem der Zeugen am Café-Tisch angegriffen worden zu sein.

In Bewährungszeit

Das Bild vom Angeklagten vervollständigte am letzten Verhandlungstag dessen Bewährungshelfer. K., mit zahlreichen Vorstrafen vorbelastet, habe sich zum Zeitpunkt der Tat in Bewährung befunden, die nach Ansicht des Helfers nicht optimal lief. Der Angeklagte habe Termine nicht kontinuierlich wahrgenommen und schien wenig motiviert.

Ein Gutachter, der den Prozesstag begleitete, schlussfolgerte aus den Berichten und seinen Berechnungen über die Auswirkungen des Alkoholkonsums des Angeklagten am Tatabend, dass dessen Steuerungsfähigkeit nicht eingeschränkt gewesen sei. Sein reizbares Verhalten könne im Zusammenhang mit einem leichten Alkoholrausch ebenso zu erklären sein wie die Stimmungslabilität, von der die Zeugen berichteten.

Während K.s Verteidiger für einen Freispruch plädierte, forderte der Staatsanwalt eine zehnmonatige Freiheitsstrafe. Mit der Rückweisung der Berufungen bleibt es nun bei der sechsmonatigen Freiheitsstrafe, die das Amtsgericht Wittenberg verhängt hatte.

(mz)