Land und Leute Land und Leute: Rückkehr ins Refugium

Wittenberg - Wer den Namen Christina Wildgrube googelt, landet auch beim Staatstheater Braunschweig. Nach ihrem Kommunikationsdesign-Studium in Berlin hat sie in dem Fünfspartenhaus als Grafikerin gearbeitet.
Es entstanden Spielzeitbücher, Hefte, kleinere Dinge, im Prinzip „alles, was man drucken kann“, sagt sie. Die Form war, wie so oft, auch vom Budget abhängig und natürlich davon, „wie groß der Gestaltungsfreiraum war“.
In Wittenberg kann man Wildgrube derzeit ganz real begegnen, noch bis Ende Oktober ist sie Stipendiatin der Cranach-Stiftung und arbeitet in der Werkstatt, in der schon Cranach tätig war.
Im Malsaal darüber herrscht an diesem Dienstagvormittag Lärm, es scheint, als würden dort Kursteilnehmer (die Rede ist von Pfarrern, eine Richterin sei ebenfalls dabei) Reise-nach-Jerusalem (auch Stuhltanz genannt) spielen. Doch ist der Krach nur von kurzer Dauer, dann kehrt wieder Ruhe ein - und Ruhe strahlen auch Wildgrubes Arbeiten aus.
Die 34-Jährige, die in der Nähe von Wittenberg aufwuchs, in der Stadt das Melanchthon-Gymnasium besuchte und gerade ihr 2015 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst aufgenommenes Meisterschülerstudium beendete, zeigt Druckgrafik der besonderen Art.
Aus Blei- und Messinglettern komponiert sie Bilder, etwa überführt sie Ornamente, Linien und Punkte oder Schmuckelemente, die schon mal aus Wertpapieren stammen, in Landschaften. An einem Motiv habe sie ein Jahr gearbeitet. In einem Fall setzte sie 10000 (!) einzelne Lettern zusammen.
Dass bei einer solchen Arbeit innere Ruhe nicht schaden kann, liegt nahe - Wildgrube selbst spricht insoweit von Entschleunigung. Es versteht sich aber auch, dass diese Puzzelei anstrengend ist und auf die Augen gehen kann.
Für die Stipendiatin ist die Arbeit im Sommeratelier auch die Rückkehr an einen vertrauten Ort. Anfang der 2000er Jahre habe sie begonnen, Kurse an der Cranach-Malschule zu besuchen. Etwa zweieinhalb Jahre war sie regelmäßig da, heute sagt Wildgrube: „Das ist hier wie ein Refugium.“
Der Ort habe eine „besondere Ausstrahlung“ und die Möglichkeit, mit dem Fahrrad im Handumdrehen an der Elbe zu sein, „versüßt den Aufenthalt“ zusätzlich.
Zudem sei die neuerliche Beschäftigung mit Lucas Cranach interessant. Unterdessen hat Wildgrube im Rahmen ihres Stipendiums auch mit Setzkästen aus der benachbarten historischen Druckerstube von Andreas Metschke gearbeitet. Und sie hat mit anderen Materialien experimentiert. Was dabei entstanden ist und wie, können Interessierte diesen Donnerstag bei einem öffentlichen Werkstattgespräch erfahren.
Diese Werkstattgespräche sind indes auch für die Cranach-Stiftung und deren Verein eine gute Gelegenheit, die jeweiligen Stipendiaten besser kennenzulernen. Gestartet wurde das Stipendiaten-Programm 1994, damals kam eine polnische Künstlerin, die nach Auskunft von Eva Löber vom Stiftungsvorstand noch unter weniger komfortablen Bedingungen gearbeitet hat: Der Südflügel auf dem Hof in der Schlossstraße 1 war damals noch eine Ruine.
Nachdem es in den letzten Jahren weniger Fördermittel für das Programm gab, die Stiftung also in Teilen die Stipendien (700 Euro gibt es) selbst erwirtschaften muss, nehmen sie nur noch drei Stipendiaten jährlich auf. Für 2018 hatten sie „30, 40“ Bewerbungen. Mit der Vergabe verbunden ist laut Löber auch die Hoffnung, dass einige der Künstler später an der Malschule Kurse leiten. (mz)