Laden in Wittenberg gibt auf Laden in Wittenberg gibt auf: Der Spiel-Spaß hat ein Ende

Wittenberg - Die Regale sind ziemlich ausgedünnt, das Obergeschoss schon ganz leer, nur ein einsames Schleich-Tier hockt am Treppenabsatz. Der überdimensionale Pandabär ist aber unverkäuflich. Das sei ihrer, sagt Katrin Seliger, Chefin des Spielwarenladens in der Collegienstraße. Und die kleinen Schleicher seien lange vergriffen. Seit Dezember läuft der Ausverkauf, am zweiten Tag des neuen Jahres haben sie die Preise nun noch einmal deutlich gesenkt, mehr als eigentlich geht in der laut Seliger an Gewinnspannen ohnehin armen Branche.
Doch was soll’s: Am 31. Januar, wahrscheinlich aber früher, ist definitiv Schluss mit dem „Spiel-Spass“ in der Hausnummer 73. Nach bald zwei Jahrzehnten in der Innenstadt gibt die Spielwaren-Expertin aus Zerbst das Geschäft auf. 17 Jahre Wittenberg, zuvor sechs Jahre mit ebenfalls eigenem Laden in Gommern - das Ende ist alles andere als freiwillig.
Preislich plattgemacht
„Der Online-Handel macht mich platt“, sagt die 51-Jährige. Mit den dort aufgerufenen Preisen könne sie nicht mehr mithalten. Dabei habe sie sich immer um „transparente und faire“ Preisgestaltung bemüht und dank Mitgliedschaft bei „idee + spiel“, einem der Branchenverbände, auch etwas günstiger einkaufen können. Das Internet ist zwar nicht der einzige Grund für die Geschäftsaufgabe, es gibt bei Seliger auch solche privater Natur, doch geht man heute allgemein davon aus, dass fast die Hälfte, mehr als 40 Prozent, aller Spielwarenkäufe übers Netz abgewickelt werden.
Auch Katrin Seliger weiß von Kunden zu berichten, die sich zuvor im Geschäft von ihr beraten ließen oder am Telefon, den aufgeklappten Laptop mit der schönen neuen Online-Spielwarenwelt vor sich, mit ihr in Preisverhandlungen treten wollten.
Konkurrenz anderer Läden
Das Internet ist Seliger zufolge freilich nicht der einzige Feind, der sie „in die Knie gezwungen“ hat. Gerade vor Weihnachten, aber keinesfalls nur dann, ist Spielzeug auch dort im Angebot, wo man es früher nicht erwartet hätte, bei den Discountern etwa oder in Drogerie-Ketten. Wobei auch sonst „die Spielwarenfirmen es uns nicht leicht gemacht haben“, wie die Einzelhändlerin mit Blick etwa auf Mindestabsatzmengen berichtet und dabei hoch illustre Namen nennt, die sie aber nicht in der Zeitung lesen möchte.
„Fachgeschäfte überleben nur, wenn sie mehr bieten als Ware im Regal“, hat eine Tageszeitung gerade ebenso gnadenlos wie treffend festgestellt. Und als Positiv-Beispiel ein Geschäft im Niedersächsischen genannt, das sogar zu Veranstaltungen einlädt, um seine Spielwaren unter die - kleinen - Leute zu bringen.
Katrin Seliger wiederum wertet Beratung, Verpackungsservice und Gratis-Bestellungen für die Kundschaft als eigene Pluspunkte - und natürlich die „Geburtstagskiste“, eine kindgerechte Variante der Wunschlisten, wie man sie etwa von Hochzeiten und Jubiläen kennt. Derlei, berichtet Seliger, sei auch für die manchmal etwas ratlose Verwandtschaft eine gute Hilfe gewesen - das Geburtstagskind packt was es sich wünscht in eine Kiste, die Gäste kommen in den Laden und wählen daraus aus, was sie verschenken möchten. Geburtstagskisten werden jetzt freilich schon seit einiger Zeit nicht mehr gepackt im „Spiel-Spass“.
Für einen Laden auf Abruf herrscht an diesem ersten Geschäftstag im neuen Jahr durchaus reger Zuspruch. Alle paar Minuten öffnet sich die Tür, es gilt Weihnachtsgeld umzusetzen. Einige müssen aber enttäuscht abziehen. Was sie suchen, gibt es nicht mehr. Ein 13-Jähriger möchte „Beyblades“ - eine Art moderner Brummkreisel, erläutert seine Mutter der MZ - die aber finden sich schon seit längerem nicht mehr im von Tag zu Tag schmaler werdenden Sortiment.
Der Dame, die eine Puppenkarre sucht, könnte dagegen noch geholfen werden - letztlich scheitert das Geschäft aber an den rosa Rädern. Die Frau wollte das Gefährt ihrem Enkel schenken. Jetzt kriegt der Zweijährige eben ein Stofftier. Behutsam packt Seliger den sehr naturgetreuen Katta in fröhlich-buntes Geschenkpapier.
Neuanfang mit Menschen
Für Katrin Seliger und ihre Verkäuferin Kathrin Kühne beginnt in wenigen Wochen ein neues Arbeitsleben. Seliger selbst will in ihren gelernten Beruf Erzieherin zurückkehren, Einzelhandelskauffrau Kühne hat sich in der Altenpflege beworben - beides Berufe mit Zukunft. (mz)