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Kulturbotschaft in Wittenberg Kulturbotschaft in Wittenberg: Programm trotz finanzieller Schwierigkeiten

Von Irina Steinmann 24.01.2019, 15:59
Die Stiftung Kulturbotschaft bespielt das Erdgeschoss des Hauses Jüdenstraße 5. Das gestaltet sich zunehmend schwieriger.
Die Stiftung Kulturbotschaft bespielt das Erdgeschoss des Hauses Jüdenstraße 5. Das gestaltet sich zunehmend schwieriger. Alexander Baumbach

Wittenberg - Stummfilmkino mit Musikbegleitung, das gibt’s nicht alle Tage. Die „Kulturbotschaft“ holt jetzt den Golem in die Stadt. Am Sonnabend läuft dort der Klassiker „Der Golem - wie er in die Welt kam“ von Paul Wegener aus dem Jahr 1920.

Die berühmte Kreatur aus dem jüdischen Prag wird ab 19 Uhr an die Wand geworfen, direkt über dem Piano, an dem an diesem Abend ein Experte seines Fachs sitzt, der Stummfilmmusiker Jürgen Kurz.

150 verschiedene Streifen

„Sein Credo ist, den Stummfilm selbst als Partitur zu lesen“, heißt es über Kurz, der seit 1981 rund 150 verschiedene Streifen in mehr als 1300 Aufführungen musikalisch begleitet hat. „Der Film ist der Dirigent - und die bewegten Bilder fangen wieder an zu leben.“

Kurz’ Auftritt in Wittenberg ist nach Auskunft von Tim Schaffrick, dem Vorsitzenden der Stiftung Kulturbotschaft, über persönliche Kontakte zustandegekommen, man kenne sich von der gemeinsamen künstlerischen Arbeit, so Schaffrick, der vor langer Zeit als Regisseur mit Kurz zusammenarbeitete.

Mit der Wahl des Golem-Films setze die Kulturbotschaft inhaltlich eine Themenreihe von 2017 fort, so Schaffrick, um „Spuren jüdischen Lebens“ ging es damals. Zudem habe auch die „Spielbarkeit“ für den Musiker eine Rolle gespielt - mit rund 75 Minuten ist das Wegener-Werk nicht allzu lang. Dass der Eintritt von regulär zwölf Euro (ermäßigt sieben) für Wittenberg etwas gewagt sein mag, räumt der Stiftungsvorsitzende ein, man möge, sagt er, diesen Betrag allerdings bitte als Benefiz-Beitrag betrachten: Die Stiftung ist, mal wieder und jetzt wirklich sehr, finanziell angeschlagen.

Im verflixten siebten Jahr - die Stiftung war am 27. Dezember 2012 eingetragen worden - zeigt sich die Kulturbotschaft zudem personell ausgedünnt. „Ich bin die Kulturbotschaft“, sagt Tim Schaffrick und das scheint nur leicht übertrieben. Von den seinerzeit großen Zielen - „Interreligöser Dialog“ und ein fruchtbares Hineinwirken in die Stadtgesellschaft hinein - ist nicht viel geblieben.

Die Stiftung - niedriges Gründungskapital, niedrige Ertragszinsen, mäßige Nachfrage der Angebote - lebt derzeit von der, von seiner Substanz. „Ohne öffentliche Förderung“, sagt Schaffrick düster, „geht hier das Licht aus.“

Dass die Stiftung auch ohne das Haus in Wittenberg - das sein eigenes ist - existieren könnte, wie Schaffrick betont, in Berlin etwa oder „in Thüringen“, mag sein, beantwortet freilich nicht die Frage, ob die Lutherstadt seine Kulturbotschaft braucht oder nicht. Er „vermisse den öffentlichen Willen und das öffentliche Bedürfnis“ danach, sagt er selbst.

Neben dem Golem-Film und einem erneuten Konzert der Wittenberger Band „Whreeds“ am 22. Februar in der Kulturbotschaft im Erdgeschoss des Hauses Jüdenstraße 5 erscheint das Programm für das laufende Jahr noch schemenhaft. Die Sonntagsfrühschoppen im Garten, sagt Schaffrick, werde es wieder geben, zudem gebe es Überlegungen zu „spirituellen“ Workshops. Möglicherweise werde auch das „Offene Atelier“ fortgesetzt.

Das kleine Café, das seit 2017 im Sommer auch Tische und Stühle vors Haus stellte, ist geschlossen. Artist-in-Residence-Programme (Arbeitsaufenthalte von Künstlern), die es durchaus gab in der Kulturbotschaft, erscheinen derzeit illusionär. Die Ferienwohnung im Obergeschoss hat Freunde, aber leider mit der Stiftung Kulturbotschaft nichts zu tun. Darf sie auch gar nicht.

Ochsentour oder Reißleine?

Während Stiftungen eigentlich dazu da sind, aus eigener Kraft etwas Gutes zu tun, erwägt Schaffrick wieder auf „Förderantrags-Ochsentour“ zu gehen, um dies überhaupt tun zu können. Oder sollte er doch lieber „die Reißleine ziehen?“ Die Lage ist ernst. Wieder einmal. Jetzt hat auch noch jemand die Homepage gehackt. Die Kulturbotschaft ist offline. Geld für die Reparatur fehle. (mz)