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Kultur im Lockdown Kultur im Lockdown: Ungeduld hinterm Vorhang bei Phönix und Clack

Von Irina Steinmann 04.01.2021, 10:54
Diana Pielorz in ihrer „Phönix Theaterwelt“
Diana Pielorz in ihrer „Phönix Theaterwelt“ Klitzsch

Wittenberg - Die Theaterlandschaft ist in Wittenberg überschaubar, doch auch das was es gibt, gibt es gegenwärtig nicht. Wann sich wieder der Vorhang hebt im Clack-Theater und im „Phönix“ steht in den Sternen, bereits seit November heißt es rien ne va plus auf den Brettern.

Man erreicht die Theaterleute sofort in diesen ansonsten bürostillen Tagen und sie haben auch prompt Zeit für ein Gespräch. Stefan Schneegaß, Mitbetreiber des Clack-Theaters am Markt und dem Publikum dort vor allem als attraktive Diva im Glitzerkleid ein Begriff - beantwortet die erste Frage, bevor man sie stellen kann. Traurig seien sie, nicht panisch, wegen der „Perspektivlosigkeit“, die sich vor ihnen auftut wie ein Abgrund. „Immer dieses partielle Verlängern“, seufzt Schneegaß und hört sich jetzt so an, als wäre ihm ein früher, harter Lockdown für alle am liebsten gewesen.

Stille Nacht, polyglott

Abwarten und weiter kreativ sein, lautet die Devise im Clack-Theater, das Schneegaß mit seinem Ehemann Mario Welker betreibt und bespielt. Inklusive Technik gehören fast 20 Leute zum Ensemble, hinzu kommt die Gastronomie. Einen kleinen personellen Überblick kann man sich im „Adventskalender“ auf der Clack-Homepage verschaffen, wo am 24. Dezember die „Stille Nacht“ etwa auch auf italienisch und polnisch erklang.

Der Kalender ist nur eines der Angebote im zwangsläufig virtuellen Raum, die das Theater im ersten Obergeschoss des Wittenberger Marktschlösschens im Lockdown entwickelt hat. Auch die Veranstaltung zum neuen Jahr sollte im Internet stattfinden - als Live-Sendung: „Wir werden uns alle testen lassen“ vorab, nimmt Schneegaß schon mal Neidern und Petzen, die es in der Stadt durchaus gebe, den Wind aus den Segeln.

Doch natürlich will man auch wieder vor Publikum spielen. Als Lehre aus dem Corona-Jahr, dem auch das Sommer-Kabarett-Festival zum Opfer fiel, sei für 2021 kein Festival mit wechselnden Gästen geplant. Stattdessen kündigt Schneegaß eine Sommer-Revue-Show an, den „Kinky Summer“. Noch im ersten Halbjahr soll eine neue Reihe starten, eine Late-Night-Show mit dem ebenfalls schönen Namen „Pikant“ und Schneegaß als Showmaster.

Finanziell „geht es einigermaßen“. Von der Novemberhilfe des Staates gab es immerhin eine Abschlagszahlung. Bereits gezahlte Eintrittsgelder seien ein „Puffer“ und auch die Aktion „Soli-Ticket“ verlief erfolgreich. Es werde aber „schwierig, das Jahr aufzuholen“, sagt Schneegaß, „wir können die Leute ja nicht übereinandersetzen“.

Dank fehlender Sitzreihen hat das in der Regel ausverkaufte Theaterchen mit seinen 110 Zuschauerplätzen aber weniger Schwund durch die Abstandsregeln als andere Häuser - sie ziehen die Tische weiter auseinander und kämen so noch auf 70, 80 Plätze. „Es wird auf jeden Fall weitergehen“, verbreitet Stefan Schneegaß Zuversicht. Sie könnten sofort wieder loslegen.

Optimistisch zeigt sich auch das Theaterhaus an der Wichernstraße. „Die Phönix Theaterwelt wird es auch 2021, 2022, 2023… noch geben!“, schreibt Prinzipalin Diana Pielorz Mitte Dezember in einer Mitteilung an die Öffentlichkeit. Anders als das „Clack“ hat „Phönix“ kein festes Ensemble sondern empfängt als Spielstätte Künstler von außerhalb.

Wie oft sie Veranstaltungen verschoben oder auch haben ganz ausfallen lassen müssen in diesem verrückten Jahr, samt Rückabwicklung der Ticket-Verkäufe, vermag Pielorz kaum zu überschlagen. Fest steht, dass seit Spielzeitbeginn im September lediglich eine einzige Veranstaltung stattgefunden hat und „seit dem Lockdown nicht eine Karte verkauft“ worden sei. Die Theaterkasse hat derzeit geschlossen. „Es macht echt, echt keinen Spaß“, sagt Pielorz.

Zwar weist der Spielplan für 2021 für fast jeden Monat mehrere Veranstaltungen aus, aber es ist eben bloß - ein Plan. Die ersten Aufführungen im Januar sind schon abgesagt, an den Terminen 23. und 30. steht ein dickes Fragezeichen, Pielorz macht sich „keine Illusionen“.

Es ist eine Rechnung mit zu vielen Unbekannten. Wird der Lockdown verlängert? Wollen die Leute überhaupt kommen? Im März könnte womöglich etwas stattfinden - jedenfalls gab es Kartenverkäufe -, wahrscheinlich aber sei eine „komplette Ausfallspielzeit“. Im „Phönix“ endet die Saison schon Ende Mai.

Das Haus will temperiert sein

Auch die „Phönix Theaterwelt“ hat Staatshilfen beantragt. Die Soforthilfe im Frühjahr sei sehr „hilfreich“ gewesen und für November und Dezember hoffe man ebenfalls auf Unterstützung. Muss sich Pielorz um Mitarbeiter weniger Sorgen machen - es gibt keine Festangestellten, dafür Mini-Jobber, Bundesfreiwillige und Ehrenamtliche - so hat sie aber ein Riesenhaus an der Backe.

Das will, zumindest etwas, geheizt werden. Ansonsten verharrt es weitgehend im Dornröschenschlaf. Wie berichtet haben sie die Schließzeit für einige Umbauten genutzt. Es gibt jetzt Spiegel - aus dem früheren Frisiersalon um die Ecke - und frische Farbe an den Wänden im multifunktionalen „Ballettsaal“ und dank Fördermitteln W-Lan überall.

Ganz wird man den Eindruck nicht los, dass Diana Pielorz den Blick bereits auf den September richtet. Den Auftakt macht ein „Puppenflüsterer“, der Bauchredner Benjamin Tomkins. Ein Programm für viele. Mal sehen wer kommt. Und was. (mz)

Immer wieder schön: Stefan Schneegaß im Glitzerkleid - hier bei der Verleihung des Lucas-Cranach-Preises der Stadt Wittenberg
Immer wieder schön: Stefan Schneegaß im Glitzerkleid - hier bei der Verleihung des Lucas-Cranach-Preises der Stadt Wittenberg
Thomas Klitzsch