Krankenhaus und Kirchentag Krankenhaus und Kirchentag: Chefarzt wünscht Wolken

Wittenberg - So gut wie am letzten Maiwochenende kommt Michael Toursarkissian nie wieder an seinen Arbeitsplatz. Auf der Strecke Berlin-Wittenberg könnte er die Züge im Zehn-Minuten-Takt nutzen. Aber das macht der Berliner nicht.
Der Chefarzt im Paul-Gerhardt-Stift ist längst schon da, wenn die Besucher des Abschlussgottesdienstes beim Kirchentag eintreffen, und er ist auch noch da, wenn sie sich wieder auf die Heimreise machen. „An dem Wochenende schlage ich mein Bett im Krankenhaus auf“, sagt der Leiter der Rettungsstelle und Intensiv- und Notfallmedizin.
Das Fieber des nahenden Ausnahmezustandes hat den Mediziner noch nicht erfasst und wird es wohl auch nicht. Dafür ist Toursarkissian viel zu erfahren und in besonderen Situationen erprobt. Er war vor 15 Jahren leitender Notarzt bei der Berliner Love Parade mit über einer Million Teilnehmern.
2000 war er der verantwortliche Mediziner, als ein Feuer im Berliner U-Bahnhof Deutsche Oper ausbrach und mehr als 30 Menschen verletzt wurden. „Aus ärztlicher Sicht habe ich einen Haufen solcher Veranstaltungen geleitet“, ist der Chefarzt entspannt, trotz alledem mit dem Wittenberger Krankenhaus aber auch gerüstet.
Selbst wenn sich am 28. Mai nicht die angekündigten 250.000 Menschen auf den Elbwiesen zum Gottesdienst versammeln, wird es auch bei weniger Gästen ausreichend Erkrankungsfälle geben, die behandelt werden müssen.
„Bei solchen Veranstaltungen stellt man sich natürlich auf bestimmte Krankheitsbilder ein“, erklärt Michael Toursarkissian und zählt auf: Sonnenstich, Austrocknung, banale Unfälle. „Das ist eigentlich unser normales Alltagsgeschäft.“ Aber es gibt beim Evangelischen Kirchentag eben auch Besonderheiten.
„Von Vorteil ist natürlich, dass kein Alkohol ausgeschenkt wird. Da haben wir eine Sorge weniger“, meint der Arzt. Speziell werde die Großveranstaltung jedoch mit dem höheren Durchschnittsalter der Besucher. „Es wird natürlich sehr viel mehr ältere Menschen mit Vorerkrankungen geben als beispielsweise bei Konzerten und Festivals“, ist er sicher.
Wie umgeknickte Füße, kleine Wunden oder ein schwacher Kreislauf zu behandeln sind, hat man freilich nicht dem Paul-Gerhardt-Stift allein überlassen. Schon länger ist das Krankenhaus in die Planungen einbezogen und beratend tätig, enger Partner in diesem Zusammenspiel ist für das Krankenhaus die Bundeswehr, die ein Feldlazarett auf der Elbwiese aufbauen wird.
„In solch einem habe ich bereits in Mali gearbeitet“, sagt Michael Toursarkissian. Zehn Jahre war er Berufssoldat und als Arzt viermal in Afghanistan, in Mali und bei der Operation Atalanta vor Somalia im Einsatz.
Das Lazarett wird vom Bundeswehrstandort Weißenfels kommen. Acht Intensiv-, acht Behandlungsplätze und eine Normalstation machen den Containeraufbau aus. „Dort findet die Akutversorgung vor Ort statt“, erklärt der Chefarzt.
Ist eine weitere stationäre Behandlung von Patienten erforderlich, dann werden diese von den Rettungsdiensten ins Paul-Gerhardt-Stift gebracht. „Für das Wochenende des Abschlussgottesdienstes haben wir unser Personal verdoppelt“, berichtet der Mediziner von seiner Abteilung.
In der Rettungsstelle stünden vier Betten für eine kurzzeitige Überwachung zur Verfügung, ansonsten werde man die Patienten auf die Stationen bringen. Herabgesetzt wurde für diese Tage auch das reguläre OP-Programm.
Zwar mag sich niemand schwerwiegende medizinische Ernstfälle mit sehr vielen Patienten vorstellen, aber auch darauf ist man vorbereitet. Laut Toursarkissian gibt es Absprachen mit dem Coswiger Herzzentrum, dem Dessauer Klinikum und dem Krankenhaus in Treuenbrietzen, die Patienten aufnehmen können, wenn in Wittenberg die Möglichkeiten erschöpft sind.
Gedanken hat man sich im Krankenhaus natürlich auch gemacht, wie an dem Wochenende die Mitarbeiter selbst auf Arbeit kommen. Schließlich sind viele der üblichen Wege durch Sperrungen nicht befahrbar. „Das betrifft auch uns, 30 Prozent der Mitarbeiter kommen aus Berlin, der große Rest aus dem Umland“, sagt Toursarkissian.
Im Vorfeld habe man deshalb sogar die Umleitungsstrecken getestet. „Ich habe es aus Richtung Oranienbaum probiert, das hat 15 Minten länger gedauert.“ Der Chefarzt findet das vertretbar.
Einen größten Wunsch hat der Mann aber noch für den 28. Mai: „Uns ist Wetter mit 20 Grad und ein bewölkter Himmel am liebsten.“ Wird es heißer, dann gibt Toursarkissian einen Rat: „Die Leute sollen bloß ordentlich viel trinken und ausreichend essen“, rät er.
Der Chefarzt wird bei sich und seinem Team natürlich auch darauf achten und ansonsten das Treiben aus der Ferne betrachten. „Vom Gottesdienst lassen wir lieber die Live-Übertragung laufen. Je näher man real dran ist, desto mehr sitzt man auch im Tunnel“, weiß er aus der Praxis. Wichtig sei vor allem die gute Vernetzung mit den Rettungsdiensten. „Da haben wir alles gut vorbereitet“, versichert er. (mz)