Konzert im Leucorea-Hof Konzert im Leucorea-Hof: Akademisches Orchester im Flatterkarree

Wittenberg - Endlich mal wieder ein Konzert. Matthias Erben lud zusammen mit seinem Akademischen Orchester der Martin-Luther-Universität Halle- Wittenberg in den Hof der Leucorea ein. Einhundert Zuhörer waren zugelassen, fein säuberlich abgetrennt durch Flatterband. Die Karten waren frühzeitig ausverkauft. „Innerhalb des Flatterbandes sind Sie virensicher, außerhalb lauert Covid“, mahnte Erben augenzwinkernd.
Erlaubte 100
Warum es gerade 100 Menschen im Hof der Leucorea sein durften und nicht beispielsweise 98 oder 111 ist sicher der Geradlinigkeit der Zahl geschuldet und ansonsten Behördengeheimnis. Bei intelligenter Bestuhlung wären – auch unter Einhaltung des erforderlichen Abstands und anderer Hygieneregeln - mehr möglich gewesen. Die ausgezeichnete Akustik hätte es darüber hinaus unbedingt erlaubt.
Coronabedingt waren nicht alle 75 Musiker aus Halle angereist sondern „nur sechzehn analog zusammengestellte“, vornehmlich Streicher. Die Bläser machen immer noch eine musikalische Pause, wegen der extensiven Aerosolbildung beim Spielen – fast alle Bläser.
Dennoch, es werde eine lauschige Serenade, die Musiker hätten – coronabedingt – nicht zusammen geprobt. Aber das bedeutet ja nun nicht, dass sie die Noten an diesem Abend erstmals zu Gesicht bekommen haben. Wobei das „Vom-Blatt-Spielen“ für einen Musiker – auch dieses Orchesters – sicher kein Problem darstellt, sondern selbstverständlich ist.
Mit einem als „Leucorea-Pasticcio“ bezeichneten kleinen Ausschnitt aus Händels Feuerwerksmusik, natürlich hier mit Trompeten im gehörigen Abstand von Publikum und übrigem Orchester, begann die lauschige Serenade. In dieser atmosphärisch königlichen Gesellschaft fühlten sich neben den Zuhörern auch einige Amseln angezogen und sichtlich wohl. Ihr Gezwitscher schmeichelte, störte keineswegs.
Unmusikalische Tauben
Das war bei Mozarts Serenata notturna D-Dur KV 239, für Streicher und Pauke gesetzt wiederum anders: Hier amüsierte man sich einerseits über die gekonnt und köstlich eingeschobenen und improvisierten Kadenzen in allen Instrumenten, etwa „alla Zingarese“ bei Matthias Erben in der ersten Geige, einer Reminiszenz aus der „Kleinen Nachtmusik“ oder durch die Pauke. Die coronamäßig fehlenden Bläser vermisste man nicht. Andererseits gesellten sich eine „Horde“ Tauben auf den Dächern der Leucorea hinzu, die dann frevelhaft und völlig unmusikalisch und sinnentstellend ihre Balzgesänge etwa im Menuetto anstimmten, taktlos und für den Zuhörer durchaus störend.
Die beiden Sätze Vivace und Largo ma non troppo aus Bachs Concerto für zwei Violinen und Orchester BWV 1043 waren dagegen ungestört, akkurat und von den beiden Solisten Bianca Radke und Berthold Rimmler überzeugend und unaufgeregt vorgetragen. Es schmeichelte.
Die Pause sollte dann gesundheitsbewusst genutzt werden, um sich mit kühlem Wein und Bier den lauen Sommerabend zu versüßen, denn Alkohol sei ja gut gegen Viren, so Erben. Nach der Pause ging es „visafrei und innerhalb des Flatterbandes nach Großbritannien“ mit Jeremiah Clarke und seinem „Prince of Denmarks Marsh“, und als „heiliger Höhepunkt des Abends“ erteilten die Musiker mit Brittens Sentimental Saraband aus der Simply Symphony den „heiligen Coronasegen“ (Erben). Nach der köstlich gespielten Jamaican Rumba von Arthur Benjamin dann passend Edward Elgars Salut d’amour. Dieser Liebesgruß versöhnte, die Tauben waren weg.
Mit Urlaubsstimmung
„Ferienfreuden“ des Roßlauer Film- und Fernsehkomponisten Siegfried Bethmann beendete den Abstecher nach Großbritannien. Der Musikpädagoge Bethmann schrieb einige tausend Melodien, die richtige Ohrwürmer wurden, wie auch dieses „Ferienfreuden“, manchmal etwas schrammelig aber keineswegs kitschig. Es löste so ein wenig aus der britisch-romantisierten Stimmung heraus und beschrieb das, was – coronabedingt – nicht ganz so ausgelassen in diesem Jahr sein wird.
Urlaubsstimmung. Der Ungarische Tanz Nr. 5 von Johannes Brahms setzte noch eins drauf. Das Publikum war begeistert. Matthias Erben hatte sich für dieses Open-air-Konzert gleich am Anfang „ein bisschen jubelnden Beifall“ erbeten. Diese Bitte war überflüssig, er und seine Musiker haben in Wittenberg ihre Fans. Alle, Zuhörer und vor allem auch die Musiker, die endlich mal wieder öffentlich auftreten durften, waren begeistert. Zwei Zugaben beendeten das Konzert. „Wir wollen doch keinen Ärger haben mit dem OB“. Es war bereits 22 Uhr. (mz)