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Kontroverse um Altstadt in Wittenberg Kontroverse um Altstadt in Wittenberg: Schorlemmer geißelt «Todsünden» am Bau

Von corinna nitz 07.02.2013, 18:15

wittenberg/MZ. - Wittenberg wird umgebaut, man bereitet sich vor auf den großen Ansturm zum Reformationsjubiläum 2017. Zumindest wird damit gerechnet, dass die Welt zu Gast in Luthers Stadt ist. Schön soll die Wiege der Reformation dann sein: Allerdings finden nicht alle auch schön, was sich baulich entlang der historischen Meile in der Altstadt entwickelt.

Jetzt hat sich Friedrich Schorlemmer zu Wort gemeldet. Er musste es offenbar: "Als sei ich ein Kummerkasten der Ohnmächtigen, erreichten mich in den letzten Wochen Briefe von Wittenbergern und Gästen, wenigstens ich solle doch protestieren gegen neuerlich Architektonisch-Modernistisch-Unsinniges", schrieb er diesen Mittwoch in der Wittenberger Lokalausgabe der MZ. Von "mindestens vier Todsünden" war sodann die Rede, etwa geißelte Schorlemmer den Verbinder zwischen Luther- und Direktorenhaus, ebenso die Freifläche hinter dem Museum, wo man unter anderem die vermeintliche Latrine des Reformators entdeckte (später wurde die Ausgrabungsstätte mit einer zeitgemäßen Überdachung versehen).

Über den Neubau des Melanchthonhauses (das nächste Woche nach langwieriger Sanierung wiedereröffnet werden soll) schrieb der Wittenberger Theologe, dieser lasse sich an "Hässlichkeit" mit dem "vielfach inkriminierten Haus der Familie Wulff in Großburgwedel" messen. Schorlemmers Kritik zielt gegen den Klinker, mit dem das Erweiterungsgebäude verkleidet wurde. Auch die geplanten Arbeiten am Augusteum und damit einhergehend eine Neugestaltung des Übergangs zum Lutherhaus finden sein Gefallen nicht: "Postmoderne Durchsichtigkeitsideologie aus Glas und Stahl auch hier, Transparenz genannt. Dies zerstört die Geschlossenheit und Ruhe ausstrahlende Atmosphäre dieses wunderbaren Hofes", schrieb Schorlemmer und äußerte die Hoffnung, dass sich "vielleicht wenigstens diese vierte Todsünde" noch verhindern lasse: "Wenn sich viele Wittenberger meiner Reaktion anschließen und sich entweder auch einen großen Hammer kaufen oder doch lieber ein Bürgerbegehren initiieren (...), bevor es zu spät ist."

In allen hier zitierten Fällen gilt die Kritik der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt. Deren Direktor Stefan Rhein erklärte am Donnerstag auf Nachfrage der MZ, er finde die "Vehemenz" erstaunlich und dies vor allem mit Blick auf Projekte, die längst abgeschlossen sind. Der Eingang zum Lutherhaus etwa war bereits 2002 fertiggestellt worden. Sowohl bei dieser Maßnahme wie auch bei der Überdachung hinter dem Lutherhaus habe es ehedem viel Zuspruch gegeben, "weil die Gestaltung der Funktionalität folgt". Letztlich sei genau dies auch der Anspruch der Stiftung, Denkmale, Unesco-Welterbe zumal, von der "Vernutzung" (u. a. durch Shop- und Sanitärbereiche) zu befreien und sie dadurch auch zu schützen. Im Übrigen entscheide die Stiftung ja nicht allein über Neugestaltungen - und neben offiziellen Stellen wurden bei Foren auch die Bürger an den Prozessen beteiligt. Rhein, der erklärt, ein Aufruf zum Dialog wäre besser gewesen als jener zum Hammer, sagt: "Über Ästhetik kann man immer diskutieren und der Diskussion will sich die Stiftung auch stellen." Zugleich müsse aber immer "kraftvoll unterstrichen werden", dass Wittenberg eine Stadt des 21. Jahrhunderts ist.