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Kinder- und Jugendtourismus Kinder- und Jugendtourismus: Luther ist nicht sexy - oder?

Von irina Steinmann 10.11.2014, 19:55
Anett Zubrzak an der Rezeption der Jugendherberge mit den Angeboten für 2015
Anett Zubrzak an der Rezeption der Jugendherberge mit den Angeboten für 2015 achim kuhn Lizenz

wittenberg - Die Ausgangslage ist nicht eben rosig. „Reformation ist nicht sexy“, zitiert die Journalistin vom „Pressenetzwerk für Jugendthemen“, einen 15-Jährigen aus Sachsen. Man könnte auch sagen: „Luther fetzt nicht“, das macht die Sache jedoch nicht besser. Besser machen aber will Tanja Kasischke, so heißt die Journalistin, das Verhältnis zwischen Reformation und Nachwuchs. Rad-Medienwerkstatt „Mensch, Luther!“, heißt das Projekt, das ab Frühjahr 2015 jeweils zehn jungen Leute und drei Journalisten auf Luthers Spuren durchs Land schicken will, Zielgruppe des Blogs, der auf diese Weise entstehen soll, sind 16- bis 35-Jährige.

Auch Carsten Passin kennt die Kluft zwischen den Ereignissen von 1517 und der Lebenswelt heutiger Jugendlicher. „Es handelt sich um zwei völlig fremde Welten“, konstatiert Passin und sagt: „Eigentlich ist es vollständig absurd“, hier Brücken bauen zu wollen. Passin baut aber welche. Seit 2009 gibt es an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt das Projekt „DenkWege zu Luther“, dessen Leiter Passin ist. Gegründet für Sachsen-Anhalt und Thüringen, verlaufen die „DenkWege“ heute bundesweit, freilich mit Schwerpunkt im ostdeutschen Lutherland.

„Nicht alles was alt ist, ist veraltet.“

Auch hier gehen die insgesamt zehn Mitarbeiter mit den jungen Leuten teils auf Tour nach draußen. Geocaching, die moderne, GPS-gestützte Schnitzeljagd, sei ein wichtiges Instrument, so Passin. „Geschichte erschließt sich über Geschichten“, sagt er. „Praktisches Philosophieren“ führe die jungen Leute an Luther-Aussagen heran und lasse sie die Erfahrung machen: „Nicht alles was alt ist, ist veraltet.“ Zu den Instrumenten gehörten etwa auch theaterpädagogische Elemente, selbst eine Musik-CD ist bereits entstanden.

Allgemein zieht Passin freilich eine eher negative Bilanz: „Es ist zu wenig im Angebot für Kinder und Jugendliche“ in Sachen Luther. Dabei lohnte es sich für die touristischen Anbieter durchaus, diese „Nische“ zu besetzen. Das gelte etwa für die kleinen Stationen am Lutherweg, wo sich deutlich mehr herausholen ließe auch für den Nachwuchs. Andererseits lägen teils Kenntnisse brach, weil Vermittlungskapazitäten fehlten. „Akteure beider Seiten, vereinigt euch“, wirbt Passin launig für Vernetzung. Und vernetzen wollen sie sich durchaus, die rund 40 Tourismusexperten, die an diesem Montag in der Wittenberger Jugendherberge zusammengekommen sind, um sich mit dem Thema „Kinder und Jugendtourismus in Deutschland: Wirtschaftspotenzial und Entwicklungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Lutherdekade“ zu befassen. Es handelt sich um die sechste und gleichzeitig Abschlussveranstaltung im Rahmen eines 2012 begonnenen „Zukunftsprojekts“ des Bundeswirtschaftsministeriums zum Kinder- und Jugendtourismus (siehe „Großer Markt“).

Schon 9.000 Anmeldungen in der Jugendherberge

Gastgeber ist das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH), das auch in der Lutherstadt ein Gros der jungen Besucher beherbergt. Kirchliche Gruppen, so Florian Mädicke, DJH-Regionalleiter für Anhalt und Wittenberg, stellten das Gros der Besucher, gefolgt von Schulen und Familien. So gesehen sei die Lutherdekade schon heute „elementar“ für das Haus am Schloss. Bereits heute lägen 9 000 Anmeldungen für 2017 vor, zum Vergleich: für 2016 sind es 3 300, für 2018 erst 200. Hauseigene Pauschalprogramme plus diverse „Bausteine“ gingen auf die Bedürfnisse der an Luther und der Reformation interessierten Gäste ein. „Wir können ein breites Spektrum an Klassenfahrten bedienen“, so Mädicke.

Dass die Reformation in Deutschland nicht in allen Ländern auf dem Lehrplan steht, woran die stellvertretende Geschäftsführerin der Staatlichen „2017“-Geschäftsstelle, Astrid Mühlmann, erinnerte, ist eine andere Geschichte. Das Thema junge Leute und Luther, räumte sie ein, sei freilich auch in den Aktivitäten der Geschäftsstelle „ein bisschen ein weißer Fleck auf der Landkarte“, der Fokus liege ganz klar auf den Erwachsenen. „Uns ist sehr klar, dass es nicht nur um die ,Silver Ager’ (die Älteren) geht“, versicherte unterdessen Burkhard Fieber aus der Staatskanzlei von Sachsen-Anhalt. Lutherdekade und Jubiläumsjahr 2017 böten bekanntlich „großes Potenzial“, die Ausstrahlung des Landes zu verbessern. 128 Millionen Euro lässt sich Sachsen-Anhalt das - inklusive Bundes- und EU-Mittel - insgesamt kosten.

Luther selbst, dessen 531. Geburtstag gestern war, ließ die Tagungsteilnehmer unterdessen einfach im Stich: Ein vorgesehenes Gruppenbild an der Thesentür am Mittag fiel mangels Lutherdarsteller aus. Ein schlechtes Omen muss das aber nicht sein. (mz)

Der „Lutherkeller“ der Jugendherberge, vormals Brett’l-Keller
Der „Lutherkeller“ der Jugendherberge, vormals Brett’l-Keller
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