Hospiz "Katharina von Bora" Wittenberg Hospiz "Katharina von Bora" Wittenberg: Bei Anruf Trost

Wittenberg - Im Mai 2018 wurde in Wittenberg das stationäre Katharina-von-Bora-Hospiz eröffnet. Seither haben dessen Leiterin Sindy Herrmann und deren Team 245 Gäste begleitet, nicht selten auch Angehörige. Dabei konnten sie eine große Bandbreite dessen erleben, was Krankheit und Angst, Sterben, Tod und Trauer in einem Menschen auslösen können - und zwar bei demjenigen, der geht, sowie bei den Hinterbliebenen. Viel Erfahrung schützt aber vor Überraschungen nicht und als Reaktion auf eine solche haben sie vor kurzem ein Trauerhilfe-Telefon eingerichtet: Das gäbe es in dieser Form ohne die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus’ wohl nicht.
Um Menschen vor einer Infektion zu schützen, wurden zum Teil rigide Schutzmaßnahmen eingeführt und dabei auch vor den letzten Dingen nicht haltgemacht. An Beerdigungen etwa durften plötzlich nur noch engste Familienangehörige oder eine höchst begrenzte Anzahl von Trauergästen teilnehmen.
Spätestens aber als die Hospizleiterin nun in der Zeitung in einigen Trauerannoncen las, die Beisetzung finde zu einem späteren Zeitpunkt statt, verspürte sie Handlungsbedarf. Denn während der Satz von der Verschiebung einer Beisetzung im unbeteiligten Leser nur kurz nachhallen mag, stellten sich für Herrmann Fragen wie diese: „Was passiert da gerade mit den Menschen, die einen Trauerfall haben, wenn bestimmte Rituale nicht in gewohntem Maß stattfinden können?“
Ein „anderer Strang“ (Hermann) betraf das Hospiz selbst, die Betreuung durch ehrenamtliche Hospizhelfer in der Häuslichkeit oder anderen Orten, an denen sich ein Mensch auf der Schwelle zum Tod eben gerade befand: Auch dort mussten sie teilweise „umschalten“, beispielsweise auf telefonische Begleitung, während sich im Hospiz die Frage nach der Besucherzahl stellte.
So war man übereingekommen, zunächst einen Besucher pro Gast und Tag zuzulassen. Aber wenn zum Beispiel Verwandtschaft von weiter her kam, dann habe sie „behutsam mit Augenmaß entschieden“, wie Regeln angepasst werden können. „Wir haben immer einen Weg gefunden“, sagt Herrmann und erinnert an einen Ehemann, der selbst als Dauergast mitaufgenommen wurde und bei seiner Frau bleiben konnte, bis zu deren letztem Atemzug.
„Danach haben wir den Mann telefonisch begleitet. Sonst würde unser normales Angebot, zum Beispiel das Trauer-Café, greifen. Das war schwierig, weil ich keine Gruppentreffen stattfinden lassen konnte“, erinnert Herrmann an jene Zeit, in der die Überzeugung heranreifte, dass für die Trauernachsorge noch ein anderes Angebot gebraucht würde.
Von der Idee bis zur Umsetzung war es nicht weit, momentan seien sie dabei, das Angebot etwa mit Kliniken oder Bestattungsinstituten zu „kommunizieren“, man könnte auch sagen, es bekannt zu machen. Es habe bereits mehrere Anrufe gegeben auch von Menschen, die nicht durch die Corona-Krise betroffen sind, sondern davon, dass sie einen eigenen Verlust erlebt haben.
„Auch diese Menschen sind herzlich willkommen, durch eine erfahrene Fachkraft an der Trauerhotline begleitet zu werden“, sagt Herrmann, die die Erfahrung gemacht hat, dass vielen schon das Sicherheitsversprechen reicht, welches ja auch mit einer solchen Hotline verbunden ist: „Ich kann anrufen, aber ich muss nicht.“
Betreut wird das Trauerhilfetelefon von sechs Hospizfachkräften der Johannesstift Diakonie in Wittenberg und Berlin. Herrmann, die selbst mit von der Partie ist, sagt, die Kollegen werden abwechselnd wöchentlich eingeteilt. Dadurch könne auch gewährleistet werden, dass „im Fall von Mehrfachanrufern nicht ständig eine andere Person am Telefon ist“.
Auf diese Weise ließe sich auch leichter klären, ob ein Mensch womöglich mehr braucht als nur dieses Telefonat. Die Hotline selbst bezeichnet sie auch als eine „zusätzliche Herausforderung, die wir gerne annehmen“.
Das Katharina-von-Bora-Hospiz in Wittenberg ist das jüngste von sieben stationären Hospizen in Sachsen-Anhalt. Entstanden ist die Einrichtung, die nach der Ehefrau des Reformators Martin Luther (1483 bis 1546) benannt wurde, in einem ehemaligen Bettenhaus auf dem Gelände des evangelischen Krankenhauses Paul Gerhardt Stift. Es gibt zehn Zimmer und 21 Mitarbeiter, dazu kommen gut 90 Ehrenamtliche im ambulanten Hospizdienst.
Für den Umbau, in den 1,3 Millionen Euro investiert wurden, gab es einst auch eine große Spendenbereitschaft aus der Bevölkerung. Den Löwenanteil der Kosten hat die damalige Paul Gerhardt Diakonie (heute Johannesstift Diakonie) getragen. Nach wie vor ist das Hospiz aber auf Spenden angewiesen, da die Kostenträger nur für 95 Prozent aufkommen. Zu den Angeboten, die bereits vorgehalten werden, gehöre ein Kinderhospizdienst. Noch entstehen soll nach Auskunft von Sindy Herrmann ein Tageshospiz. (mz)