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Kantorin der Stadtkirche Heike Mross-Lamberti ist in Wittenberg auf dem Weg in den Ruhestand

Heike Mross-Lamberti war 21 Jahre Kantorin an der Wittenberger Stadtkirche. Jetzt geht sie in den Ruhestand. Ein Blick zurück und auch nach vorn.

Von Corinna Nitz 16.07.2021, 21:01
Stadtkirchenkantorin Heike Mross-Lamberti geht  in den Ruhestand. In 21 Jahren Amtszeit ist musikalisch viel passiert, wie die Plakate zeigen.
Stadtkirchenkantorin Heike Mross-Lamberti geht in den Ruhestand. In 21 Jahren Amtszeit ist musikalisch viel passiert, wie die Plakate zeigen. (Foto: Thomas Klitzsch)

Wittenberg - 21 Jahre war Heike Mross-Lamberti Kantorin an der Stadtkirche Wittenberg. Nun geht sie mit ihrem Mann, dem Kirchenmusikprofessor Ulrich Lamberti, in den Ruhestand. Grund für eine kurze Rückschau, nicht ohne einen Blick nach vorn. Beim MZ-Interview im Katharinensaal der Stadtkirchengemeinde erinnern Plakate noch an einen Abschiedsabend, den man der 65-jährigen Kirchenmusikerin kürzlich bereitet hat. Die Poster, die einst für Oratorien, Messen oder Konzerte warben, bilden zugleich einen Teil von Heike Mross-Lambertis Arbeit ab. Das Gespräch mit ihr führte Corinna Nitz.

Am 25. Juni wurden Sie bei einer Orgelmusik in der Stadtkirche entpflichtet und verabschiedet. Wie war es?

Heike Mross-Lamberti: Ich war überwältigt. Es gab überhaupt keine Bitterkeit und im Anschluss gab es noch ein Treffen im Katharinensaal, zu dem etwa 140 Leute kamen, inklusive Bürgermeister. Das war eine Überraschung.

Weil Sie sagen, dass es keine Bitterkeit gab: Die Zeit in Wittenberg war nicht immer leicht. Woran lag das?

Als mein Mann und ich im September 2000 aus Rendsburg nach Wittenberg kamen, war der Vorgänger hier noch sehr präsent im Hintergrund. Es gab auch Streit und viele Wechsel bei den Pfarrern. Das lässt einen nicht kalt.

Was hat Sie 1999 bewogen, sich auf die Kantorenstelle in der Stadtkirche zu bewerben?

Es ist eine große Stelle und die Kirchenmusik bildet eine Konstante und eine stabile Säule. Das ist wichtig - gerade in einer heterogenen Gemeinde. Im Chor aber treffen sich alle.

Sie haben mehrere Chöre geleitet und zu großen Aufführungen das Orchester Sankt Marien, in dem Musiker unter anderem aus der Anhaltischen Philharmonie wirken. Was war Ihnen wichtiger: die große Inszenierung oder das kleine Format, also die Orgelbegleitung in Gottesdiensten?

Beides, die große Aufführung genauso wie der Gottesdienst. Und: Jede Probe, alles ist Gottesdienst. Man kann das auch überhaupt nicht trennen, es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Und egal ob ich vor dem Chor stehe oder an der Orgel sitze, ich bin immer ganz im Augenblick.

Woran denken Sie besonders gern zurück?

Es gab immer wieder schöne Höhepunkte - zum Beispiel die Reformationskonzerte, Passionsmusiken oder Oratorien. Wichtig ist es, alles in voller Intensität zu machen. Und es zählt nicht nur das Konzert am Ende, sondern genauso wichtig ist der Weg dorthin.

Durch die Corona-Pandemie war zuletzt so gut wie nichts mehr möglich. Vor einem Abschied ist das sicher besonders bitter. Andererseits hätte man auch sagen können, okay, dann habe ich eben mehr Luft...

Ich hatte nicht mehr Freizeit in der Pandemie. Zum einen habe ich mit Corona-Mails den Kontakt zur Kantorei gepflegt. Diese wöchentlichen Mails sind so etwas wie Hirtenbriefe im Kleinen, werden von vielen sogar gesammelt. So fand sich zumindest ein Weg, über diese lange Strecke in Kontakt zu bleiben. Immerhin sind Chöre Ehrenamtliche, und niemand weiß, wer durchhält und hinterher wiederkommt. Außerdem habe ich jede Studie gelesen, jede Verordnung studiert und immer geschaut, was machbar ist.

Das kam nicht nur gut an, erinnert sei an das Stabat mater...

Ja, besonders nach dieser Aufführung an Karfreitag wurde ich angefeindet. Aber: Das war kein Konzert, sondern es handelt sich um liturgische Musik. Und dann war nach Karfreitag auch wieder zu. Dieses ständige Hin und Her, das schlaucht mehr als die reguläre Arbeit.

Inzwischen ist Ihre Nachfolge geregelt, neuer Kantor ab dem 1. September ist der Berliner Christoph Hagemann. Was wünschen Sie ihm?

Präsenz und Wachheit, Situationen zu durchschauen. Offenheit in den Chören für das, was vielleicht anders ist. Konstanz in der Zusammenarbeit wünsche ich ihm und die Kraft, das alles unter einen Hut zu bringen. Wir haben uns auch schon getroffen und stehen im Austausch.

Für Sie sind Mitte August die letzten Arbeitstage in Wittenberg. Sie bleiben aber nicht in der Stadt, sondern ziehen weg.

Der Umzug ist am 16./17. August. Mein Mann und ich haben die alte Schule in Tießau, einem Ortsteil von Hitzacker, gekauft. Als wir damals hierher kamen, da wollte ich bewusst versuchen, mein Teil zum viel beschworenen „Zusammenwachsen“ nach 1989 beizutragen. Doch ich spüre nach wie vor, dass zumindest unsere Generation in zwei verschiedenen Systemen gelebt hat und dass die Unterschiede weiter bestehen und nicht einfach wegzuwischen sind. Das beinhaltet keine Wertung, sondern fordert immer wieder Sensibilität und den Versuch, wenigstens zu verstehen, und das sehe ich durchaus als Bereicherung. Ziehe aber eben auch für mich die Konsequenz, in das „Land meiner Väter“ zurückzukehren, wo meine Wurzeln sind. Meine Großeltern aus Ostpreußen sind nach der Flucht dort gestrandet, noch heute wohnen Onkel, Tante und eine Cousine dort. Ich gehe also nach Hause.

Werden Sie etwas aus Wittenberg vermissen?

Das Schwimmbad.

Und dienstlich?

Ich weiß nicht, wie es wird, wenn ich zum Beispiel am 13. August meine letzte Orgelmusik spiele. Andererseits war ich mein Leben lang hin und her gerissen zwischen Musik und Landwirtschaft, denn ich komme mütterlicherseits aus der Landwirtschaft.

Wollen Sie sich jetzt der Landwirtschaft widmen?

Wir haben einen Garten, 1.500 Quadratmeter Wildnis, die werde ich urbar machen. Ich will eine Wildobsthecke pflanzen, der Chor hat gesammelt. Man kann auch über Permakultur und Selbstversorger nachdenken. Und wenn man aus Wittenberg kommt, muss ein Apfelbaum gepflanzt werden. Musikalisch können sich völlig neue Aufgabenbereiche auftun. Wir freuen uns auf Haus und Garten und das Großelternsein. (mz)