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Pandemie Hausärzte fordern mehr Impfstoff

Hausärzte wollen mit Corona-Schutzimpfungen das Tempo anziehen, doch sie kommen nicht so schnell voran wie geplant. Sie stehen vor vielen Problemen.

22.04.2021, 07:12
 Aleksandra Mossakowska impft einen  Patienten  in der Oranienbaumer Praxis.
Aleksandra Mossakowska impft einen Patienten in der Oranienbaumer Praxis. Foto: Thomas Klitzsch

Wittenberg - Lange haben die Hausärzte auf diesen Moment gewartet, jetzt dürfen sie endlich: ihre Patienten gegen Corona impfen. Das ist ein wichtiger Schritt, um in kurzer Zeit relativ viele Personen immunisieren zu können. Doch mit den Impfungen geht es nicht so schnell voran wie geplant, da der Biontech-Impfstoff heiß begehrt ist, in den Praxen aber noch sehr rar.

„Gebt uns mehr Impfstoff und wir impfen auf Teufel komm raus“, fordert die Hausärztin Ute Moritz aus Jeber-Bergfrieden. Sie spricht das aus, was viele denken. Denn aktuell müssen die Hausärzte im Landkreis Wittenberg im Durchschnitt mit 30 Impfdosen pro Woche auskommen - dabei könnten sie viel mehr impfen.

Das gilt auch für Ute Moritz, doch sie wird ihren Impfstoff, den sie diese Woche Montag erhalten hat, nicht los. Der Grund: Sie bekam eine größere Menge des Vakzins Astrazeneca. „Unsere Patienten sind sehr verunsichert, sie wollen den Impfstoff nicht“, sagt Moritz. Zwar gebe es vereinzelt einige Personen, die sich auch mit dem britisch-schwedischen Impfstoff spritzen lassen würden, das reiche aber nicht aus, um eine Dose anzufangen.

„Aus einer Impfdose erhält man in der Regel zehn Spritzen“, erklärt die Ärztin. Die Voraussetzung ist allerdings, dass sich zehn Leute finden, die sich in kurzer Zeit damit impfen lassen wollen. Moritz sagt: „Das scheint fast unmöglich.“

Ähnlich wie Ute Moritz hat der Wittenberger Arzt Arwed Ziegler mit den Vorurteilen gegenüber Astrazeneca zu kämpfen. In dieser Woche erhielt er auch mehrere Impfdosen des Vakzins. Er erklärt, es herrsche bei den Patienten ein sehr großer Aufklärungsbedarf. „Es ist unheimlich schwierig, sie argumentativ zu überzeugen“, berichtet Ziegler.

Telefon läuft heiß

In der Gemeinschaftspraxis der Medizinerin Silvia Strömer in Oranienbaum steht das Telefon nicht mehr still - im Minutentakt gehen Anrufe von Patienten ein, die sich in der Praxis impfen lassen wollen. „Wir können uns wirklich kaum noch retten vor lauter Andrang“, berichtet die medizinische Fachangestellte Ronja Langner. Sie hat das Gefühl, die Patienten würden lieber zum Hausarzt gehen, den sie kennen, als in das Impfzentrum.

„Das ist so nicht gewollt.“ Am Telefon muss Langner die Anrufer oft darauf hinweisen, wer sich schon einen Termin im Impfzentrum gesichert habe, der solle diesen auch wahrnehmen und nicht doppelt buchen.

Die Terminvereinbarung für die Praxis ist aufwendig: „Wir müssen mit jedem Patienten vorab Rücksprache halten, da wir nicht wissen, wer schon geimpft ist. Eine zentrale Datei gibt es ja nicht“, sagt Silvia Strömer. Darüber hinaus kann die Hausärztin nur Woche für Woche planen, da sie erst am Donnerstag eine Information über die genaue Impfstoffmenge erhält.

Für die Allgemeinmedizinerin Bettina Albrecht, die in Gräfenhainichen eine Praxis leitet, stellt das Impfen eine zusätzliche Herausforderung dar. Wie sie erklärt, geht das normale Tagesgeschäft weiter, dazwischen erfolgen die Impftermine. „Die Impfungen sind sehr aufwendig. Man muss die Patienten aufklären und nach der Spritze noch 15 Minuten beaufsichtigen“, sagt Bettina Albrecht.

Sie ist froh darüber, nun wenigstens ihre Patienten impfen zu können, die nicht mehr mobil sind. „Ein Besuch im Impfzentrum ist für viele nicht möglich. Zu denen fahre ich hin und sie erhalten ihre Impfung“, erklärt sie. Das funktioniere gut.

Nicht so gut hingegen läuft es bei der Bestellung der Impfstoffe. Für diese Woche hatte die Hausärztin 30 Impfdosen geordert, sie erhielt aber nur etwa die Hälfte. „Das ist ärgerlich, da wir die Patienten schon zu uns bestellt hatten“, sagt sie. Daraus hat sie nun gelernt und plant ab jetzt nur noch in kleineren Schritten.

Keine Wahl des Impfstoffs

Beeinflussen können die Hausärzte die wöchentlich gelieferte Menge sowie den Hersteller des Impfstoffs nicht. Sie erhalten diesen nämlich von den regionalen Apotheken, wie unter anderem von der Löwenapotheke in Kemberg. Der Inhaber Frieder Jage bestellt das Vakzin im pharmazeutischen Großhandel. Bei einem Händler ordert er jeden Dienstag die gewünschten Impfdosen, die ihm zuvor die Hausärzte übermittelt haben.

„Erst am Donnerstag erhalte ich eine Rückmeldung, wie viel des bestellten Impfstoffs wir überhaupt bekommen“, sagt Jage. In etwa sind es ein bis zwei Drittel weniger. Noch am selben Tag informiert er die Hausärzte über die genaue Impfstoffmenge, damit diese planen können.

Im Moment beziehen acht Praxen aus dem Südkreis von Wittenberg den Impfstoff von der Kemberger Apotheke. Sie wünschen sich fast ausschließlich den Impfstoff von Biontech. Der Apotheker Frieder Jage erklärt: „Das Misstrauen der Patienten gegenüber Astrazeneca ist sehr groß.“ (mz/Paul Damm)