Benefizaktion Hauch von Bundesliga-Luft in Reinsdorf
Toni Lindenhahn besucht Erlebnispädagogische Tagesstätte in Reinsdorf und übergibt Kindern Laptops und Drucker und spricht eine Einladung aus.
Reinsdorf - Toni Lindenhahn wird auch in Reinsdorf sofort erkannt! Kaum ist der Fußballprofi vom HFC und Publikumsliebling in Halle aus dem Auto ausgestiegen, ist der erste Autogrammjäger auch schon da. Dabei geht es dem Prominenten gar nicht um Sport, sondern eher um Home-Schooling. Der Kicker ist Vereinsinitiator von „Kinderlandschaft“ und hat eine besondere Aufgabe zu erfüllen: Die neun Kinder der Erlebnispädagogischen Tagesstätte erhalten vier Laptops und Drucker für das Erledigen der Hausaufgabe oder eben fürs Home-Schooling. „Ich möchte etwas Gutes tun“, erklärt der 31-Jährige kurz.
„Ich hatte eine unbeschwerte Kindheit. Mir ging es gut. Meine Eltern haben alles dafür getan, dass ich jetzt mit Fußball meinen Lebensunterhalt verdienen darf, und deshalb ist es mir wichtig, die Kinder zu unterstützen, die es nicht so gut haben“, erklärte er schon bei der Vereinsgründung. Die Verantwortlichen haben sich in Zeiten der Pandemie zur Aufgabe gestellt, Kommunikationsmittel für den Hausunterricht zur Verfügung zu stellen.
Willi Orban spendet ein Trikot
„Wir haben uns richtig ins Zeug gelegt“, verrät der Gast. Finanziert werden die Geschenke mit dem Erlös einer Versteigerung. Für die Auktion haben „wir unsere Kontakte spielen lassen“, berichtet Lindenhahn, der dabei genauso um Unterstützung bei bekannten Sportlern geworben hat wie Markus Hein. Der Mann ist in Halle der HFC-Stadionsprecher und im Hauptberuf Spielerberater, machte nach der Wende beim BFC eine Blitzkarriere bis zum Vizepräsidenten. Und so konnten echte Berühmtheiten für die Benefizaktion gewonnen. Dazu zählt vor allem der Leipziger Abwehrchef Willi Orban, der mit RB im vergangenen Jahr sensationell das Halbfinale der Champions League erreicht hat.
Orban ist in Leipzig wie Lindenhahn in Halle ein Sympathieträger. Orbans Trikot wechselte für ein Höchstgebot von 505?Euro den Besitzer. Boxhandschuhe von Ex-Weltmeister Dominic Bösel gingen für 251 Euro, ein Helm von Bulls-Kapitän Kai Schmitz für 231 und ein Schuh von Toni Lindenhahn für 208 Euro weg. Insgesamt kamen etwa 5.000 Euro zusammen. Neben Reinsdorf - dafür hatte sich Hein ausgesprochen - kommt auch eine Kindereinrichtung in Landsberg in den Genuss der Aktion.
Im Wittenberger Ortsteil wird das Engagement mit leuchtenden Kinderaugen belohnt. „Ich bin noch nie einem Fußballprofi begegnet“, erzählt ein Steppke voller Begeisterung. Und die Kids machen auch vor laufender Kamera eine gute Figur. Hein nutzt die Chance quasi auch als ein Casting und überlegt laut, ob er im Stadion ein ähnliches Interview führen sollte. Auf jeden Fall sind die Kinder nach Halle zum Fußball und zum Eishockey eingeladen.
Die Ankündigung zum Gegenbesuch löst Jubel aus. Die Kinder berichten, dass sie die HFC-Spiele im Fernsehen verfolgen und den Hallensern die Daumen drücken. Auf Frage des TV-Reporters nach dem aktuellen Tabellenplatz - es ist Rang zwölf - wussten die Kinder aber keine Antwort. „Besser ist es“, sagt dazu leise Lindenhahn. „Zwei Siege brauchen wir noch zum Klassenerhalt“, rechnet der Experte im MZ-Gespräch vor. Der aktuelle Erfolg nach einem dramatischen Schlussspurt über Uerdingen (2:1) kann aber ein erster Befreiungsschlag im Abstiegskampf sein.
Zuvor war die Situation ähnlich prekär wie vor zwölf Monaten. Im Schlüsselspiel gegen Mannheim besorgt Lindenhahn das 1:0 beim 3:0-Erfolg. Dieses Mal fiebert er verletzt auf der Tribüne mit. Aber auf dem Rasen Verantwortung zu übernehmen sei besser, betont er. Trotzdem ist das lautstarke Coachen der HFC-Ikone gegen Uerdingen deutlich zu hören. „Als erfahrene Spieler weiß man, worauf es ankommt“, sagt er und erhält ein Lob vom Trainer für sein Engagement.
Kleiner Etat - große Sprünge?
Der Klassenerhalt ist greifbar, doch die Fans träumen von deutlich mehr. Mit einem der „kleinsten Etats der Liga“ seien große Sprünge kaum möglich, sagt der Kicker dazu. Lindenhahn - seine Vereinstreue ist im Profigeschäfts etwas Besonderes - hat sich den Namen eines HFC-Urgesteins erarbeitet, obwohl Topclubs der Ersten Bundesliga schon mehr als nur einmal angeklopft haben. Eintracht Frankfurt, die in der neuen Saison mit großer Wahrscheinlichkeit in der Champions League spielen, wollten einst den Mittelfeldmann verpflichten. Die Clubs konnten sich aber nicht über die Ablösesumme einigen.
Der HFC hat zu viel verlangt. „Ich bin nicht böse über diese Entscheidung“, sagt er und wird zur Kultfigur. Dazu beigetragen hat seine Heirat quasi im Erdgas-Sportpark, seinem Wohnzimmer, mit dem „Trauzeugen“ Hein. „Meine Frau fand das auch cool“, sagt er und will am Wochenende seiner Elf in Köln die Daumen drücken. Ob das klappt, ist ungewiss. „Ich bin im Moment nicht Mitglied des Teams“, sagt er und hofft, irgendwann sein Comeback zu feiern. 2021 besteht dazu aber wenig Hoffnung. Dafür hat er Hoffnung nach Reinsdorf gebracht. (mz)